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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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in seiner Ecke herum. In der anderen Ecke schlüpft der Triade aus seinen Sandalen: Er ist stolz auf seine Killerfüße. Jemand schlägt einen buddhistischen Gong, der Triade versucht es mit einem Sprungkick, voller Verachtung für den Krüppel, den er umbringen soll. Lee packt seinen Fuß mit einer Hand und wirft ihn zu Boden. Der Triade versucht es noch einmal, vorsichtiger geworden. Lee spielt mit ihm, um die Zuschauer zu unterhalten. Zu spät erkennt der Triade, daß man ihn in eine Falle gelockt hat. Lee ist blitzschnell in seinem Rollstuhl; er ist ein glänzender Taktiker, und er besitzt unglaubliche Kräfte in den Armen.
    Wie immer war der Kampf zu Ende, als es Lee gelang, seinen Gegner an der Taille zu packen. Nachdem er ihm das Rückgrat gebrochen hatte, fuhr er eine Ehrenrunde vor den Zuschauern und schleifte dabei sein Opfer mit. Er ließ ihn noch ungefähr zwanzig Minuten am Leben, gelähmt, wie Lee selbst. Und als die Wetten ausbezahlt und die Party fast vorbei war, schlug Lee die Zähne in die Halsschlagader seines Gegners.
    Chan hatte Jahre gebraucht, um zu verstehen, warum die 14K, Lees eingeschworene Feinde, die Männer, die ihn zum Krüppel gemacht hatten, ihn nicht einfach umbrachten. Irgendwann war ihm dann klar geworden, daß sie ihn liebten. Der Grundgedanke der Triaden war Gewalt, und Lee war sozusagen eine Ikone der Gewalt. Es gehörte zum Mythos der Triaden, ihn alle paar Jahre in einen Preiskampf zu schicken, als Beispiel brutalster Gewalt.
    Nach jedem dieser Kämpfe schlug Chan sich mit seinem Gewissen herum. Wenn er beharrlich Beweise sammelte, würde er vielleicht genügend Material finden, um Lee des Mordes anzuklagen. Doch Lee wußte um Chans Gewissensbisse und ließ ihm gerade in solchen Zeiten die wichtigsten Informationen zukommen.

EINUNDDREISSIG
    Manchmal mußte Chan auch bei heißem Wetter Spazierengehen, um nachzudenken, aber das war in Hongkong gar nicht so leicht. Er hatte die Straßenbahn hoch zum Peak genommen und folgte dem Fußweg hinunter nach Pok Fu Lam. In der Connaught Road wurde er durch Baustellen gezwungen, auf die Landseite der Straße auszuweichen.
    Es sah so aus, als würden die Baustellen am Hafen bei Kennedy Town nie mehr verschwinden. Bagger holten Sand, Schlamm und Kies aus dem Wasser; Betonzylinder, die höher waren als Häuser, standen Wache vor Stahlträgern, schweren Hebevorrichtungen, Kränen und Männern mit gelben Schutzhelmen.
    Auf der anderen Seite der Straße war Chan gezwungen, auf die Fahrbahn auszuweichen, während ein Reislaster entladen wurde. Wenn der Lastwagen nicht gewesen wäre, hätte die Szene sich in der Mandschuzeit abspielen können. Chinesen, nur mit weiten schwarzen Hosen bekleidet, die ihnen bis knapp unters Knie reichten, trippelten zwischen dem Laster und der Reishandlung hin und her. Wenn sie zu dem Geschäft zurückkehrten, war ihr Rücken unter riesigen Reislasten gebeugt. Ein hartes Leben wie das ihre zerstörte jede Moral. Man hätte jeden von ihnen für ein bißchen Geld dafür gewinnen können, bei einer Folterung mitzuhelfen. In Asien war es noch nie schwer gewesen, schnell mal jemanden für eine kleine Exekution zu finden. Aber wer hatte dafür bezahlt? Und warum? Ein General aus der Volksrepublik China, der wütend darüber war, daß man ihn übervorteilt hatte? Durfte man in China so simple Schlüsse ziehen?
    Den Boden unter den Füßen verlieren wäre als Beschreibung von Chans Zustand noch eine Untertreibung gewesen. Chan fühlte sich wie ein Stück Abfall, das auf einen gewaltigen Strudel zudriftete. Wenn er noch ein bißchen näherkäme, würde dieser Strudel ihn verschlingen. Er merkte, wie er bereits von dem Sog angezogen wurde – er konnte nicht mehr aufhören, über den Sturz nachzudenken.
    Chan bog in eine Seitenstraße ein, um der Sonne zu entgehen. Jenseits der Connaught Road waren die Straßen wie schattige Canyons, durch die die Menschen schlenderten, vorbei an Pfandhäusern, Stereoläden, Wettbüros, kleinen Restaurants, in denen es nur Schweinefleisch, Ente und Reis gab, Garküchen mit Klapptischen aus Metall, Freiluftfriseuren, Einmannunternehmen, die sich auf Visitenkarten und Namensstempel aus Gummi (in Englisch oder Chinesisch) spezialisiert hatten, und chinesischen Banken, die es nur hier in Hongkong gab.
    Chan blieb vor dem Laden eines Goldhändlers stehen, den ein Seik mit einem muschelförmigen Turban und einer Waffe in der Hand bewachte. In dem vergitterten Schaufenster kicherten grob gegossene

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