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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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ächzte.
    »Du gütiger Himmel.« Er sah Chan verängstigt an.
    Chan ging auf die andere Seite des Tisches zurück, kletterte wieder auf seinen Stuhl, holte den Kopf aus dem Fleischwolf, legte ihn auf den Tisch und nahm den anderen aus der Kühlbox. Genau wie der erste paßte auch der zweite Chinesenkopf in den Fleischwolf. Clares Kopf jedoch war größer. Er hätte sich nicht ohne weitere Verstümmelungen zerhäckseln lassen.
    Chan legte Clares Kopf wieder in die Kühlbox und warf Riley einen Blick zu, der ihn seinerseits anstarrte.
    »Ein interessantes Experiment, allerdings ohne eindeutiges Ergebnis«, sagte Chan.
    Jetzt sprang Riley auf, eine Hand vor dem Mund. Chan machte dem Chief Superintendent die Tür auf, damit dieser schneller zur Toilette kam. Nachdenklich hob Chan den Chinesenkopf an den Haaren vom Tisch. Er war mittlerweile aufgetaut, und die Kinnlade fiel herunter, als habe ihr Besitzer beschlossen, endlich zu reden. Chan sah die abgebrochenen Schneidezähne und weiter hinten kleine, dunkle Partikel, die zwischen den Zähnen steckten. Bei den anderen beiden Köpfen fand er ähnliche Partikel. Chan rief von dem Telefon im Vorraum aus Dr. Lam an. Es war Freitagnachmittag, aber dem Odontologen schien es nichts auszumachen, daß er sich am folgenden Morgen mit Chan im Leichenschauhaus treffen sollte.
     
    Grautöne: stahlgrau die Bank; aschgrau die Wände; blaugrau die Fleischerwerkzeuge, die an Haken über dem Seziertisch hingen. Auch die Luft mit ihren Formaldehyd- und Äthergerüchen war grau. Chan hätte das alles nicht so viel ausgemacht, wenn er rauchen hätte können, aber an der Wand prangte ein Verbotsschild in grellem Rot und Weiß. Er sah Lam dabei zu, wie er die Köpfe aus einer grauen Stahlbox mit Trockeneis hob und sie mit einem geübten Griff auf die Bank legte. Der Mund, der am Vortag noch so ausgesehen hatte, als wolle er etwas sagen, war jetzt wieder gefroren und widersetzte sich Dr. Lams Versuchen, ihn zu öffnen. Chan deutete mit dem Kinn in Richtung Tür.
    »Kaffee?«
    Nur Auftauen half gegen diese Starre, und außerdem war in der grauen Kantine im ersten Stock das Rauchen erlaubt. Als sie nach zehn Minuten wieder zurückkamen, hatten sich die Kiefer bereits erwärmt, doch das Schmelzwasser machte den Metalltisch glitschig, und die Köpfe rutschten Dr. Lam immer wieder weg. Der Odontologe sah sich um: Hier gab es alles, nur keine Kopfklemme. Chan gab ein grunzendes Geräusch von sich und stellte sich auf die andere Seite des Tisches. Dann beugte er sich vor und hielt die Kiefer des Kopfes mit abgewandtem Gesicht auf, während Dr. Lam darin herumstocherte. Chan spürte die Vibrationen in seinen Händen, als der Odontologe mit einem Stahlhaken in dem Mund herumkratzte. Alle paar Sekunden reinigte Dr. Lam die Spitze an einer durchsichtigen Plastikplatte. Nach weniger als zehn Minuten steckte der Zahnarzt die Köpfe wieder in die Box.
    »Sie haben recht, es befinden sich Partikel in den Mündern, die keine Essensreste sind.« Er deutete auf ein winziges Häufchen der Partikel auf der Plastikplatte.
    »Was könnte das sein?«
    »Das läßt sich unmöglich feststellen. Es ist einfach zu wenig, als daß irgend jemand das analysieren könnte. Höchstens Scotland Yard könnte das Zeug auf molekularer Ebene untersuchen.« Er warf einen Blick auf das Häufchen und zuckte mit den Achseln.
    »Das liegt bei Ihnen.« Er schob die dicke Brille hoch. »Sie könnten sich ziemlich lächerlich machen, wenn sich rausstellt, daß es sich um Lorbeerblätter oder andere Gewürze handelt, die in ihrer letzten Mahlzeit gewesen sein könnten.«
    Auf den Stufen zum Leichenschauhaus zündete Chan sich eine Benson an, während er zusah, wie der Odontologe von seinem Chauffeur in einem schwarzen Mercedes weggefahren wurde. Er selbst nahm, das Plastiksäckchen mit den Partikeln in der Tasche, ein Taxi in die Arsenal Street, brachte das Säckchen in die gerichtsmedizinische Abteilung und ging zu Rileys Büro, um die nötigen Formulare auszufüllen: RHKPC Formular Nummer hm91. Bitte um Erlaubnis, wissenschaftlichen Rat im Ausland einzuholen (wenn es sich nicht um Scotland Yard handelt, bitte Gründe angeben). Dieses Formular muß in vierfacher, maschinenschriftlicher Ausfertigung vorgelegt werden. Chan sah sich in Rileys leerem Büro um: keine Schreibmaschine, kein Durchschlagpapier, nur ein topmoderner Drucker. Er füllte das Formular mit schwarzem Kugelschreiber aus und legte es in Rileys Eingangskorb.
    Auf dem

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