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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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schlachten ohne Mitleid, zu sterben ohne Furcht! Können die Götter, wer sie auch sein mögen, einen Kampf mit solchen Geschöpfen und in einer solchen Sache verübeln? O mein Vater, wohin auch die Mächte da oben ihre nach der Erde gerichteten Blicke lenken, sie sehen keine so heilige und heiligende Pflicht als das Opfer, das einem bejahrten Vater von dem frommen Sinne eines dankbaren Sohnes dargebracht wird!«
    Der arme alte Sklave, auch seinerseits des Lichtes der Unterweisung entbehrend und seit kurzem erst zum christlichen Glauben bekehrt, wußte nicht, mit welchen Beweisgründen er eine so dunkle und zugleich in ihrem Irrthum so schöne Unwissenheit erleuchten sollte. Seine erste Bewegung war, sich an seines Sohnes Brust zu werfen – seine zweite davon weg zu schaudern – die Hände zu ringen und im Versuch seinen Tadel auszusprechen, erstickte seine gebrochene Stimme in Thränen.
    »Und wenn also,« begann Lydon von Neuem, »wenn also Deine Gottheit (ich glaube, Du willst nur eine zugeben?) in der That jene wohlwollende und erbarmungslose Macht ist, wie Du behauptest, so wird sie auch wissen, daß gerade der Glaube an sie mich zuerst in dem Beschlusse bestätigte, den Du tadelst.«
    »Wie, was willst Du damit sagen?«
    »Nun, Du weißt ja, daß ich in meiner Kindheit als Sklave verkauft, in Rom durch das Testament meines Herrn, dessen Wohlgefallen zu erringen ich glücklich genug gewesen war, freigelassen wurde. Ich eilte nach Pompeji, um Dich zu sehen – fand Dich schon alt und gebrechlich unter dem Joch eines launigen, gemästeten Herrn – Du hattest erst kürzlich diesen neuen Glauben angenommen, dessen Annahme Dir Deine Sklaverei doppelt schmerzlich machte; denn sie raubte Dir den mildernden Zauber der Gewohnheit, der uns oft mit dem Schlimmsten aussöhnt. Klagtest Du mir nicht, daß Du zu Dienstleistungen gezwungen seiest, die Dir zwar als Sklave nicht verhaßt, als Nazarener aber sündhaft erschienen? Sagtest Du mir nicht, Deine Seele bebe vor Gewissensbissen, wenn Du genöthigt seiest, auch nur ein Stückchen Kuchen vor den Laren niederzulegen, die dort über das Impluvium wachen? daß Deine Seele von einem beständigen Kampfe zerrissen werde? Sagtest Du mir nicht, selbst dann, wenn Du Wein vor die Thürschwelle gießest, und den Namen einer griechischen Gottheit anrufest, fürchtest Du Dir schreckliche Strafen zuziehen, als die des Tantalus – eine Ewigkeit von Qualen, fürchterlicher als die der tartarischen Felder? Sagtest Du mir das nicht? Ich erstaunte, denn ich konnte es nicht begreifen, und vermag es auch jetzt noch nicht, beim Herkules; aber ich war Dein Sohn und meine einzige Aufgabe war somit, Dich zu bemitleiden und zu erleichtern. Konnte ich Dein Stöhnen anhören, konnte ich Deine geheimnisvollen Schrecken, Deine beständige Angst mitansehen und unthätig bleiben? Nein, bei den unsterblichen Göttern! Der Gedanke durchzuckte mich wie ein Licht vom Olymp:; ich hatte kein Geld, aber ich besaß Stärke und Jugend – diese hatte ich von Dir empfangen und ich konnte sie nun meinerseits für Dich verkaufen! Ich befragte mich nach der Summe Deines Lösegeldes und erfuhr, daß der gewöhnliche Siegespreis eines Gladiators doppelt dazu hinreichen würde. Da wurde ich ein Gladiator; ich schloß mich an diese verfluchten Menschen an, obwohl ich sie verachte und sie mich anekeln – ich erlernte ihren Beruf – gesegnet seien die Lehrstunden! sie sollen mich befähigen, meinem Vater die Freiheit zu verschaffen!«
    »O, daß Du den Olinth hören könntest!« seufzte der alte Mann, zwar immer mehr und mehr von der kindlichen Tugend seines Sohnes gerührt, aber nichts destoweniger von der Strafbarkeit seines Vorhabens überzeugt.
    »Die ganze Welt will ich anhören, wenn Du es verlangst,« antwortete der Gladiator munter, »doch erst dann, wenn Du kein Sklave mehr bist. Unter Deinem eigenen Dache, mein Vater, sollst Du meinen Schwachkopf den ganzen Tag, und sogar die ganze Nacht hindurch bestürmen, wenn es Dir Vergnügen macht. Ach welch ein hübsches Plätzchen ich für Dich ausgewählt habe! Es ist eine der 999 Buden der alten Julia Felix, in dem sonnigen Theile der Stadt, wo Du Dich bei Tag vor der Thüre wärmen kannst – und ich will das Öl und den Wein für Dich verkaufen, mein Vater – und dann, wenn es der Venus beliebt (oder auch, wenn es ihr nicht beliebt, da Du ihren Namen nicht leiden kannst, dem Lydon ist Alles eins), dann sage ich, bekommst Du vielleicht auch eine Tochter, um

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