Die letzten Tage von Pompeji
war in frischen und muntern Farben das Zeichen des Damenbretts gemalt. [Fußnote: Innerhalb der Stadtmauern befindet sich ein anders in gleicher Weise verziertes Wirthshaus. ] An dem Dache des Wirtshauses zog sich eine Terrasse hin, auf welcher einige Frauen, die Weiber der erwähnten Pächter, theils saßen, theils über das Geländer lehnten und mit ihren Freunden unten plauderten. In einiger Entfernung befand sich in einer tiefen Nische ein bedeckter Sitz, in welchem einige ärmere Reisende ausruhten und den Staub von ihren Kleidern schüttelten. Auf der andern Seite dehnte sich ein großer Raum aus, ursprünglich der Begräbnisplatz eines älteren Geschlechtes als die gegenwärtigen Einwohner von Pompeji, nunmehr aber in das Ustrinum oder dem Platz zur Verbrennung der Todten umgewandelt. Jenseits desselben erhoben sich die Terrassen einer gefälligen, halb von Bäumen versteckten Villa. Die Gräber selbst, mit ihren anmuthigen und mannigfaltigen Formen, die Blumen und das Laubwerk, das sie umgab, gaben der Gegend durchaus keinen düstern Anstrich. Dicht bei dem Stadtthore stund in einer kleinen Nische die stille Gestalt der wohldisciplinirten römischen Schildwache, und die Sonne schien herrlich auf ihren polirten Helm und die Lanze, auf die sie sich lehnte. Das Thor selbst war in drei Bögen getheilt, der mittlere für die Fuhrwerke, die zu beiden Seiten aber für die Fußgänger; rechts und links erhoben sich die massiven, die Stadt umgürtenden Mauern, in tausend verschiedenen Epochen ausgeführt, geflickt und ausgebessert, je nachdem Krieg, Zeit oder Erdbeben, diese vergebliche Schutzwehr erschüttert hatten. In häufigen Zwischenräumen erhoben sich viereckige Thürme, deren roh ausgeführte Zinnen die regelmäßige Mauerlinie malerisch unterbrachen und zu den neueren, nebenan weißschimmernden Gebäuden einen starken Gegensatz bildeten.
Die gekrümmte Straße, welche in dieser Richtung von Pompeji nach Herkulanum führt, entschwand dem Blicke unter abhängigen Weinbergen, über welche der Vesuv in seiner düstern Majestät trotzig herabschaute.
»Hast Du die Neuigkeit gehört, alter Medon,« fragte ein junges Mädchen, die mit einem Krug in der Hand an Diomeds Thüre einen Augenblick stehen blieb, um mit dem Sklaven zu plaudern, ehe sie sich in das benachbarte Wirthshaus begab, um das Gefäß füllen und mit den Reisenden zu kokettiren.
»Die Neuigkeit, welche Neuigkeit?« fragte der Sklave, seine Augen wehmüthig vom Boden aufschlagend.
»Nun, diesen Morgen zog ja wohl, ehe Du recht wach warest, ein herrlicher Fremder durch das Thor nach Pompeji.«
»So, so,« sagte der Sklave gleichgültig.
»Ja, ein Geschenk von dem edlen Pomponianus.«
»Ein Geschenk! ich dachte, Du sprächest von einem Fremden!«
»Es ist beides, ein Fremder und ein Geschenk. Wisse denn, alter Schwachkopf, daß es ein prachtvoller junger Tiger für die bevorstehenden Spiele im Amphitheater ist. Hörst Du, Medon? Oh, welche Wonne! ich gestehe, daß ich kein Auge zuthun kann, bis ich ihn sehe; man sagt, er brülle so schrecklich.«
»Arme Thörin,« rief Medon traurig und mürrisch.
»Schilt mich keine Thörin, alter Bauernlümmel! es ist ein hübsches Ding, ein Tiger, besonders wenn wir Jemand zum Fraß für ihn finden könnten. Nimm einmal an, Medon, jetzt haben wir einen Löwen und einen Tiger, und in Ermanglung zweier tüchtiger Verbrecher müssen wir vielleicht sehen, wie die beiden einander selbst auffressen. Aber halt, Dein Sohn ist ja Gladiator, ein hübscher und starker Mensch; könntest Du ihn nicht bestimmen, mit dem Tiger zu kämpfen? Thue es doch, Du würdest mich sehr verpflichten, ja, Du würdest ein Wohlthäter für die ganze Stadt sein.«
»Fort, fort,« sagte der Sklave mit großer Bitterkeit, »denk an Deine eigene Gefahr, ehe Du so über den Tod meines armen Jungen plauderst.«
»Meine eigene Gefahr!« sagte das Mädchen, erschreckt und hastig um sich blickend – »wendet die Vorbedeutung ab, ihr Götter! Mögen Deine Worte auf Dein eigenes Haupt fallen!« und während sie sprach, berührte sie einen an ihrem Hals hängenden Talisman. »›Deine eigene Gefahr!‹ welche Gefahr bedroht mich denn?«
»Ist das Erdbeben, das wir vor wenigen Nächten erlebt, keine Warnung? Hat es keine Stimme? Sagt es nicht zu uns Allen: ›Bereitet euch zum Tode, denn das Ende aller Dinge ist nahe.‹«
»Bah, Dummheiten,« meinte das junge Mädchen, die Falten ihrer Tunika zurechtmachend, »jetzt sprichst Du, wie man es
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