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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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Einige Stunden von der Stadt befand sich damals eine alte Ruine, die Überbleibsel eines Tempels, von augenscheinlich griechischem Ursprung; und da für Glaukus und Ione alles Griechische von Interesse war, so hatten sie doch verabredet, diese Ruinen zu besuchen.
    Ihr Weg ging anfänglich zwischen Weinbergen und Olivenwäldchen hin, bis er, sich mehr und mehr den höheren Partien des Vesuvs zuwendend, allmählig rauher wurde. Die Maulthiere bewegten sich nur langsam und mühsam, und bei jeder Öffnung im Walde gewahrten sie jene grauen und schrecklichen Höhlen in den ausgebrannten Felsen, die Strabo beschrieben hat, die aber in Folge der verschiedenen Umwälzungen der Zeit, und durch die vulkanischen Ausbrüche sich jetzt dem Auge nicht mehr zeigten. Die Sonne, die sich ihrem Untergange näherte, warf lange und dichte Schatten über den Berg; da und dort härten unsere Freunde noch das ländliche Rohr des Hirten aus Gruppen von Buchen und wilden Eichen ertönen. Bisweilen bemerkten sie die Gestalt der silberhaarigen und anmuthigen Ziege mit ihrem gewundenen Horn und glänzendem grauen Auge, wie sie noch jetzt unter Ausoniens Himmel an den Hügeln weidet, und uns Virgil's Eklogen zurückruft; und die bereits vom Lächeln des vorgerückten Sommers gerötheten Trauben glühten aus den bogenförmigen Gewinden hervor, die von Baum zu Baum hingen. Über ihnen schwammen leichte Wolken am heiteren Himmel, die sich kaum zu bewegen schienen, während die Liebenden zu ihrer Rechten dann und wann die wogenlose See, auf deren Spiegel eine leichte Barke einherschwamm, erblickten und das Sonnenlicht sich über der Tiefe in den zahllosen und milden Tinten brach, die jenem herrlichen Meere so eigenthümlich sind.
    »Wie schön,« begann Glaukus halb flüsternd, »ist jener Name, mit dem wir die Erde unsere Mutter nennen. Mit welch gütiger und gleichmäßiger Liebe gießt sie ihre Segnungen über ihre Kinder aus: und selbst dieser öden Stätte, der die Natur Schönheit versagt hat, sucht sie ihr Lächeln zuzuwenden, wie dies der Erdbeerbaum und der Weinstock bisweilen, die sie um den trockenen und glühenden Boden jenes erloschenen Vulkans windet. Ach in einer solchen Stunde und Angesichts einer solchen Scene könnten wir uns wohl denken, das lachende Gesicht des Fauns blicke aus diesen grünen Rebengehängen hervor, oder wir folgen den Schritten der Bergnymphe durch die Irrgänge des Gehölzes. Aber die Nymphen starben, schöne Ione, als Du ins Leben tratest!«
    Keine Zunge schmeichelt so wie die des Liebenden, und doch scheint im Übermaß seiner Gefühle Schmeichelei nur ein Gemeinplatz zu sein. Sonderbare und verschwenderische Fülle, die sich durch überströmen bald erschöpft! Man sagt, die Achtung, welche auf die Leidenschaft folge, mache uns glücklicher, als die leidenschaftliche Liebe selbst – es mag so sein – die Quellen der Phantasie, der Hoffnung, des Ehrgeizes, die alle in einen Kanal eingeengt waren, kehrten wieder in ihr natürliches Bett zurück. Die Liebe ist eine Revolution; – so lange sie dauert, gibt es keine Harmonie, keine Ordnung, und eben damit auch kein anhaltendes Glück; wenn aber die Revolution vorüber ist, erstaunen wir über die Überreizung, in der wir uns befunden. Vielleicht lieben wir noch, vielleicht werden wir noch geliebt, aber wir sind nicht mehr verliebt! Ich für meine Person glaube, daß es einige Arten unvollkommenen Glückes gibt, die dem vollkommenen vorzuziehen sind. Entzieh dem Herzen die Sehnsucht, und Du entziehst der Erde die Luft.
    Sie kamen bei den Ruinen an, und untersuchten sie mit jener Liebe, mit welcher wir die heiligen und vertrauten Spuren unserer Vorfahren verfolgen; sie verblieben dort, bis der Abendstern am rosigen Himmel erschien; und als sie sodann im Zwielicht zurückkehrten, waren sie stiller als bisher, denn in den Schatten des Abends und unter den Gestirnen fühlten sie den Druck ihrer gegenseitigen Liebe nur um so lebhafter.
    Um diese Zeit begann der vom Egypter vorausgesagte Sturm sichtbar über ihren Häuptern heraufzuschleichen. Zuerst kündete ein leiser und ferner Donner den bevorstehenden Kampf der Elemente an, und rollte hierauf schnell über die dunklen Lagen der gedrängten Wolken hin. Das plötzliche Ausbrechen von Stürmen unter diesem Himmel ist eine fast übernatürliche Erscheinung und mochte bei dem Aberglauben früherer Zeiten gar wohl den Gedanken einer besondern göttlichen Einwirkung erwecken. Einige große Tropfen fielen schwer durch

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