Die letzten Tage von Pompeji
Regen auf; abschüssige und rauhe Klippen von ausgebrannter Lava schauten ihnen finster entgegen, durch den Blitz, der den dunkeln und gefährlichen Boden erleuchtete, nur noch fürchterlicher gemacht. Bisweilen schwebte die Flamme über den eisgrauen, theils mit altem Moos oder verkrüppelten Blumen bedeckten Felsen, als suche sie vergeblich ein ihres Zornes würdigeres Erzeugnis der Erde, biswelen aber ließ der Blitz diesen ganzen Theil des Schauplatzes in Dunkelheit, und hing einem breiten Tuche gleich roth über dem tief unten tobenden Ocean, bis seine Wogen im Feuer zu glühen schienen, und so hell war die Flamme, daß sie selbst die scharfen Umrisse der ferneren Krümmungen der Bucht vom ewigen Misenum mit seiner stolzen Stirne bis zum schönen Sorrent und den riesigen Bergen dahinter lebhaft vor's Auge führte.
Verlegen und unentschlossen hielten unsere Liebenden an, als sie plötzlich, von der Finsternis, die zwischen die wilden Blitzstrahlen hineindunkelte, von Neuem eingehüllt, nahe, aber in einiger Höhe über sich, das geheimnisvolle Licht erblickten. Ein neuer Strahl, der Himmel und Erde röthete, ließ sie die ganze Umgebung deutlich erkennen; zwar kein Haus zeigte sich in der Nähe, aber da, wo sie das Licht gewahrten, glaubten sie im Hintergrunde einer Höhle die Umrisse einer menschlichen Gestalt zu erblicken. Wiederum kehrte die Dunkelheit zurück, aber der Lichtstrahl, nicht länger vom Feuer des Himmels geschwächt, zeigte sich von Neuem. Sie beschlossen, zu demselben hinanzusteigen, und mußten sich ihren Weg zwischen großen Felsstücken hindurchbahnen, die da und dort von wildem Gebüsche überhangen waren; doch sie gelangten immer näher und näher zum Lichte, und endlich stunden sie der Oeffnung einer Höhle gegenüber, die augenscheinlich durch gewaltige quer übereinandergefallene Felsensplitter gebildet war; als sie aber in den Schlund hineinblickten, fuhren Beide unwillkürlich mit abergläubischer Furcht und Bangigkeit zurück.
Ein Feuer brannte im Hintergrund der Höhle, und über diesem stund ein kleiner Kessel; auf einer hohen, dünnen Säule von Eisen erblickte man eine rohe Lampe, und an demjenigen Theile der Wand, and deren Fuß das Feuer brannte, hing in mehrfachen Reihen eine Fülle der verschiedenartigsten Kräuter, augenscheinlich zum Trocknen. Ein vor dem Feuer liegender Fuchs starrte die Fremdlinge mit seinem glänzenden, röthlichen Auge an; sein Haar sträubte sich und ein leises Knurren stahl sich zwischen seinen Zähnen hervor. Im Mittelpunkt der Höhle stund eine irdene Statue mit drei Köpfen von sonderbarer, phantastischer Gestalt; sie wurden nämlich durch die wirklichen Schädel eines Hundes, eines Pferdes und eines Bären gebildet. Ein kleiner Dreifuß stund vor dieser wilden Darstellung der Hekate.
Es war übrigens nicht sowohl diese Zugabe und Einrichtung der Höhle, die das Blut der voll Entsetzen Hineinschauenden erstarrte, als vielmehr das Gesicht ihrer Bewohnerin. Vor dem Feuer saß, die Züge von dem vollen Lichte beschienen, ein Weib von beträchtlichem Alter. In keinem Lande vielleicht sieht man so viele häßliche alte Weiber, als in Italien; in keinem Lande verwandelt sich Schönheit im Alter so grauenhaft zur schrecklichsten und abstoßendsten Höflichkeit. Die Alte vor ihnen jedoch gehörte keineswegs zu jenen Mustern des Culminationspunktes menschlicher Höflichkeit; im Gegentheil, ihr Gesicht verrieth die Überbleibsel regelmäßiger, wenn auch stolzer und adlerartiger Züge. Steinerne Augen starrten mit Blicken, welche die ihrigen bannten und bezauberten, unsere Freunde an, die in diesem fürchterlichen Gesichte das vollendete Bild eines Leichnams sahen; hatten sie doch hier das gläserne und glanzlose Auge, die blauen, eingeschrumpften Lippen, die hohlen Wangen, das abgestorbene, dünne, graue Haar, die bleifarbige, grünliche und geisterartige Haut, wie nur das Grab sie zu bilden und zu färben vermag, vor sich!
»Es ist etwas Todtes,« begann Glaukus.
»Nein, es rührt sich, es ist ein Geist oder eine Larva,« stammelte Ione und schmiegte sich an die Brust des Atheners.
»O fort, fort!« stöhnte die Sklavin, »es ist die Hexe des Vesuvs.«
»Wer seid Ihr?« fragte eine hohle und geisterartige Stimme, »und was thut Ihr hier?«
Der fürchterliche und todtenhafte Ton, der mit dem Gesichte der Sprechenden im Einklange stund, und eher die Stimme eines körperlosen Wanderers, als die eines lebenden Menschen zu sein schien, würde Ione in die
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