Die letzten Tage von Pompeji
zu trinken – soll mir nicht zum zweitenmal entgehen; doch welche Art der Rache wählen? Das muß wohl bedacht werden. O Ate, wenn du wirklich eine Göttin bist, so erfülle mich mit all deinen Eingebungen!«
Der Egypter sank bei diesen Worten in eine tiefe Träumerei, die ihm seinen klaren aber befriedigenden Gedanken einzugeben schien. Unruhig wechselte er seine Stellung, während er einen Plan nach dem andern ausdachte, und verwarf jeden sofort wieder, sobald er ihn gebildet hatte. Mehremale schlug er an seine Brust und stöhnte laut, im Durst nach Rache und im Gefühl seiner Unmacht zu deren Befriedigung. Während er also nachdachte, trat ein Sklavenknabe schüchtern in das Zimmer, mit der Meldung, eine Dame, ihrer eigenen und ihrer Sklavinnen Kleidung nach offenbar von Stand, warte unten und bitte um Gehör bei Arbaces.
»Eine Dame!« Sein Herz schlug schneller. »Ist sie jung?«
»Ihr Gesicht ist durch einen Schleier verhüllt; aber ihre Gestalt ist, obgleich voll, dennoch zart wie die der Jugend.«
»Führe sie her,« sprach der Egypter, dessen eitles Herz einen Augenblick glaubte, die Fremde möchte Ione sein.
Der erste Blick, den er auf die nunmehr Eintretende warf, reichte hin, eine so irrthümliche Vermuthung zu widerlegen. Allerdings hatte sie so ziemlich dieselbe Größe und vielleicht auch dasselbe Alter wie Ione – allerdings war sie schön und üppig geformt; aber wo blieb jene unbeschreiblich anmuthige Wellenform, welche jede Bewegung der unvergleichlichen Neapolitanerin begleitete? – die züchtige und anständige Kleidung, die selbst bei der sorgfältigsten Anordnung der Einfachheit nicht ermangelte? – der würdevolle und doch schüchterne Schritt? die Majestät des Weibes und ihre Sittsamkeit?
»Verzeih mir, ich kann nur mühsam aufstehen,« begann Arbaces, die Fremde anschauend, »ich leide noch immer an einer kürzlich eingetretenen Krankheit.«
»Laß Dich durchaus nicht stören, großer Egypter,« erwiderte Julia, welche die Furcht, die sie bereits empfand, unter dem bequemen Schleier der Schmeichelei zu verdecken suchte, »und verzeih einem glücklichen Frauenzimmer, das Trost bei Deiner Weisheit sucht.«
»Komm näher, schöne Fremde,« sagte Arbaces, »und sprich ohne Furcht und ohne Rückhalt.«
Julia setzte sich auf einen Stuhl neben den Egypter und blickte verwundert in einem Zimmer umher, dessen ausgesuchte und kostbare Pracht sogar den reichen Schmuck im Hause ihres Vaters beschämte; furchtsam betrachtete sie ferner die Hieroglyphenschriften an den Wänden – die Gesichter der geheimnisvollen Bilder, die sie aus jeder Ecke anstarrten – den Dreifuß in einiger Entfernung – und vor Allem das ernste und merkwürdige Gesicht des Arbaces selbst. Ein langes weißes Kleid bedeckte wie ein Schleier halb seine Rabenlocken und floß bis zu seinen Füßen hinab; seine gegenwärtige Blässe machte sein Gesicht nur noch eindrucksvoller, und seine dunklen und durchbohrenden Augen schienen den Schleier der Dame zu durchdringen und die Geheimnisse ihrer eitlen und unweiblichen Seele zu erforschen.
»Und was,« sagte er mit leiser, tiefer Stimme, »was, o Mädchen, führt Dich in das Haus des Fremdlings aus Osten?«
»Sein Ruf,« antwortete Julia.
»Worin?« sprach er mit sonderbarem, leichtem Lächeln.
»Kannst Du fragen, o weiser Arbaces? Ist Deine Wissenschaft nicht das Stadtgespräch in Pompeji?«
»Einige Kenntnisse habe ich allerdings gesammelt,« erwiderte Arbaces, »aber in wiefern können solch ernste und unfruchtbare Mysterien dem Ohre der Schönheit Nutzen bringen?«
»Ach,« erwiderte Julia, etwas ermuthigt durch die gewöhnten Töne der Schmeichelei, »flieht nicht der Kummer zur Weisheit um Linderung, und sind nicht die, welche unerwidert lieben, die erwählten Opfer des Grams?«
»Ha,« rief Arbaces, »kann unerwiderte Liebe das Loos einer so schönen Gestalt sein, deren tadellose Verhältnisse selbst durch die Falten Deines anmuthigen Kleides sichtbar sind? Gewähre mir die Gunst, o Jungfrau, Deinen Schleier zu lüften, damit ich wenigstens sehe, ob Dein Antlitz der Lieblichkeit Deiner Person entspreche.«
Nicht abgeneigt vielleicht, ihre Reize zu entfalten, und im Glauben, daß sie in dem Magier wohl Theilnahme an ihrem Schicksal erwecken dürften, hob Julia nach kurzem Bedenken ihren Schleier und enthüllte eine Schönheit, die, wäre nicht so viel Kunst dabei gewesen, den Blick des Egypters sicherlich angezogen hätte.
»Du willst Dich bei mir Raths
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