Die letzten Tage von Pompeji
die Zweige, die ihren Weg halb überhingen, und unmittelbar darauf zuckte rasch und blendend ein Gabelblitz dicht über die Augen unserer Freunde hin und ward von der zunehmenden Dunkelheit verschlungen.
»Schneller, guter Carrucarius,« rief Glaukus dem Wagenlenker zu, »der Sturm kommt zusehends heran.«
Der Sklave trieb die Maulthiere an; schnell ging es über die unebene und steinige Straße; die Wolken wurden dichter, näher und näher kam der Donner, und der platschende Regen goß sich in Strömen herab.
»Fürchtest Du Dich?« flüsterte Glaukus, dem das Gewitter zum Vorwand diente, näher an Ione zu rücken.
»Bei Dir nicht,« antwortete sie sanft.
In diesem Augenblick gerieth der Wagen, gebrechlich und schlecht gebaut, wie, trotz ihres anmuthigen Äußern, bei den meisten derartigen Erfindungen jener Zeit dem praktischen Gebrauche nicht die gebührende Rechnung getragen wurde, heftig in ein tiefes Geleise, über welchem ein gefallener Baumstamm lag; der Führer trieb mit einem Fluche seine Maulthiere noch stärker gegen das Hindernis an, das Rad wurde aus der Achse gehoben und der Wagen fiel plötzlich um.
Glaukus wand sich schnell aus dem Fuhrwerk heraus und eilte Ione zu Hülfe, die glücklicherweise unverletzt geblieben war; mit einiger Schwierigkeit richteten sie die Carruca wieder auf und sahen, daß sie sogar zum bloßen Obdach nicht länger dienen konnte; die Federn, welche das Verdeck festhielten, waren gebrochen, und der Regen ergoß sich wild und in Strömen in das Zimmer.
Was war in dieser Verlegenheit zu thun? Sie waren noch ziemlich weit von der Stadt entfernt – kein Haus, keine Hülfe schien nahe.
»Eine kleine halbe Stunde von hier,« sagte der Fuhrmann, »wohnt ein Schmied; ich könnte ihn holen, damit der das Rad wieder an die Carruca befestigt; aber beim Jupiter, wie der Regen schlägt! meine Gebieterin wird durchnäßt sein, bis ich wiederkomme.«
»Lauf wenigstens hin,« entgegnete Glaukus; »wir müssen uns so gut wir können bis zu Deiner Rückkehr zu schützen suchen.«
Der Weg war mit Bäumen überschattet, unter deren dichtesten Glaukus seine Ione führte. Indem er seinen eigenen Mantel auszog, suchte er sie besser gegen den strömenden Regen zu schützen, aber dieser stürzte mit einer Wuth herab, die alle solche kleine Hindernisse durchbrach, und während Glaukus seiner schönen Begleiterin Muth zuflüsterte, schlug plötzlich der Blitz in einen der unmittelbar vor ihnen stehenden Bäume und spaltete seinen gewaltigen Stamm mit ungeheuerem Krachen entzwei. Dieses fürchterliche Ereignis zeigte, welche Gefahr ihnen unter ihrem gegenwärtigen Obdache drohe, und Glaukus sah sich ängstlich nach einem weniger gefährlichen Zufluchsorte um.
»Wir sind jetzt,« sagte er, »auf der halben Höhe des Vesuvs; es muß hier in den rebenbedeckten Felsen irgend eine Grotte oder Höhle sein, in welcher uns die entflohenen Nymphen eine Zufluchtsstätte gelassen haben, – wenn wir sie nur finden könnten.«
Während er so sprach, trat er unter den Bäumen vor und entdeckte, seine spähenden Blicke nach dem Berge lenkend, durch die zunehmende Dunkelheit ein rothes, zitterndes Licht in nicht beträchtlicher Ferne. »Das muß,« meinte er, »vom Herd eines Hirten oder Winzers kommen – es wird uns zu einem gastlichen Obdach führen. Willst Du hier bleiben, während ich – doch nein – das hieße Dich der Gefahr preiszugeben.«
»Gerne will ich mit Dir gehen,« sprach Ione; »scheint auch die Stätte unbedeckt, so ist sie doch jedenfalls besser, als das verrätherische Dach dieser Zweige.«
Ionen halb führend, halb tragend, schritt Glaukus von der zitternden Sklavin begleitet dem Lichte zu, das noch immer blau und fest brannte. Endlich war der Pfad nicht mehr offen, wilde Weinstöcke verwirrten ihre Schritte und entzogen, einige lichte Stellen ausgenommen, den leitenden Strahl ihrem Auge. Aber schneller und wilder stürzte der Regen herab und der Blitz nahm seine tödtlischste und schrecklichste Gestalt an; unsere Freunde aber sahen sich hiedurch nur zu noch größerer Eile angetrieben, in der Hoffnung, auch wenn das Licht sie äffen sollte, doch endlich zu einer Hütte oder freundlichen Höhle zu gelangen. Immer verwachsener wurden die Reben – das Licht war ihnen gänzlich entschwunden, aber ein schmaler Pfad, den sie, nur von den beständigen und lang hinziehenden Blitzen geleitet, mit Mühe und Anstrengung verfolgten, blieb fortwährend ihr Leitfaden. Plötzlich hörte der
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