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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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erbarmungslose Wuth des Sturmes zurückgetrieben haben, hätte sie nicht Glaukus – obgleich selbst nicht frei von schlimmen Ahnungen – in die Höhle gezogen.
    »Wir sind vom Sturm verschlagene Reisende aus der benachbarten Stadt,« sagte er, »und von jenem Lichte hierher gelockt, bitten wir Dich um freundliches Obdach an Deinem Herd.«
    Während der Grieche sprach, erhob sich der Fuchs vom Boden und trat gegen die Fremden vor, indem er seine weißen Zähne der ganzen Länge nach zeigte und immer drohender knurrte.
    »Ruhig, Sklave,« rief die Hexe, und auf den Ton ihrer Stimme legte sich das Thier sofort nieder, bedeckte sein Gesicht mit dem Schweif und hielt nur sein reges, wachsames Auge auf die Störer seiner Ruhe gerichtet.
    »Kommt ans Feuer, wenn Ihr wollt,« sprach die Alte zu Glaukus und seinen Begleiterinnen. »Ich bewillkommne nie ein lebendiges Wesen, außer die Eule, den Fuchs, die Kröte und die Schlange, und deshalb kann ich auch Euch nicht willkommen heißen; tretet aber ohne Willkomm ans Feuer – warum auf Förmlichkeiten einen Werth legen?«
    Die Sprache, in welcher die Hexe sie anredete, war ein sonderbares, barbarisches Latein, untermengt mit vielen Worten eines rauheren und älteren Dialektes. Sie rührte sich nicht von ihrem Platz, sondern starrte ihre Gäste steinern an, da Glaukus nunmehr Ionen ihren Mantel abnahm und sie auf einen Holzhaufen – den einzigen Sitz, den er gewahrte – sich niederzulassen einlud und mit seinem Athem die Kohlen zu einer glühenderen Flamme anfachte. Durch die Kühnheit ihrer Gebieter ermuthigt, legte auch die Sklavin ihre lange Palla ab und schlich ängstlich auf die andere Seite des Feuers.
    »Ich fürchte, wir stören Dich,« sprach die Silberstimme Ione's begütigend.
    Die Hexe antwortete nicht; sie sah aus wie ein Wesen, das für einen Augenblick vom Tode erwacht ist, und sodann wieder in den ewigen Schlummer zurücksinkt.
    »Sagt mir,« begann sie plötzlich nach einer langen Pause, »seid Ihr Bruder und Schwester?«
    »Nein,« antwortete Ione erröthend.
    »Seid ihr verheirathet?«
    »Auch nicht,« entgegnete Glaukus.
    »Ho, ho, Verliebte! ha, ha, ha,« und die Hexe lachte so laut und so lange, daß die Höhle wiederhallte.
    Ione's Herz stund still bei dieser sonderbaren Heiterkeit. Glaukus murmelte schnell einen Gegenzauber wider das Omen, und die Sklavin wurde so bleich wie die Wange der Hexe selbst.
    »Was lachst Du, altes Weib?« fragte Glaukus in etwas strengem Tone, nachdem er seinen Spruch vollendet hatte.
    »Lachte ich?« fragte die Hexe zerstreut.
    »Sie ist wahnsinnig,« flüsterte Glaukus, gewahrte aber, noch während er sprach, wie die Augen der Hexe boshaft und funkelnd auf ihn gerichtet waren.
    »Du lügst,« rief sie ungestüm.
    »Und Du bist eine unhöfliche Wirthin,« erwiderte ihr Glaukus.
    »Still, reize sie nicht, theurer Glaukus,« lispelte Ione.
    »Ich will Dir sagen, weshalb ich lachte, als ich erfuhr, daß Ihr Liebende seid,« sprach das alte Weib. »Weil es für Alte und Verwelkte eine Freude ist, auf junge Herzen, wie die Eurigen zu schauen – und zu wissen, daß die Zeit kommen wird, wo Ihr einander verabscheuen werdet – verabscheuen, verabscheuen – ha, ha, ha!«
    Jetzt war es an Ione, ein Gebet gegen die unfreundliche Prophezeihung zu sprechen.
    » Dii avertite Omen – die Götter verhüten es!« sagte sie, »aber Du, arme Frau, kennst wohl wenig von der Liebe, sonst würdest Du wissen, daß sie sich nie verändert.«
    »Glaubt Ihr, ich sei nicht auch einmal jung gewesen?« entgegnete die Hexe hastig, »und bin ich jetzt nicht alt und häßlich und wie ein Skelet? Wie die Gestalt, so das Herz.«
    Nach diesen Worten versank sie wieder in ein tiefes und fürchterliches Stillschweigen, als ob das Leben selbst in ihr aufgehört hätte.
    »Wohnst Du schon lange hier?« fragte nach einer Pause Glaukus, der sich unter dem Drucke eines so schrecklichen Stillschweigens unheimlich fühlte.
    »Ach ja, schon lang!«
    »Es ist denn doch ein trauriger Aufenthalt.«
    »Ha, das kannst Du mit Recht sagen – die Hölle ist unter uns,« erwiderte die Hexe, mit ihrem knöchernen Finger nach der Erde zeigend, »und ich will Dir ein Geheimnis mittheilen – das Dunkel da unten bereitet seinen Zorn gegen Euch hier oben – gegen Euch, die Jungen, Gedankenlosen und Schönen.«
    »Du sprichst nur böse Worte,« sagte Glaukus, »die der Gastfreundschaft schlecht anstehen, und in Zukunft will ich lieber dem Sturme mich aussetzen, als Deiner

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