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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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dem Haupt. In ihrer Hand trägt sie ein umgekehrtes Gefäß, aus dem sie kleine rothe Muscheln und perlendes Wasser schüttet. O schau auf jenes Gesicht! Nie noch sah eines Menschen Auge ein ähnliches. Sieh, wir sind allein, nur ich und sie in dem weiten Wald. Kein Lächeln spielt um ihre Lippen – sie bewegt sich ernsthaft und mit süßer Wehmuth. Ha! fliehe, es ist eine Nymphe, eine von den wilden Napäen[Göttinnen der Berge und Wälder] . Wer sie sieht, wird rasend – fliehe, sieh, sie entdeckt mich!«
    »O Glaukus, Glaukus – kennst Du mich nicht? Rufe nicht so wild, oder Du tödtest mich mit einem einzigen Worte.«
    Ein neuer Wechsel schien nunmehr in dem verwirrten und zerstörten Geist des unglücklichen Atheners vor sich gegangen zu sein. Er legte seine Hände auf Nydia's seidenes Haar; er streichelte ihre Locken – schaute ihr ausdrucksvoll ins Gesicht, und da in der zerbrochenen Kette seiner Gedanken ein oder zwei Glieder noch ganz waren, schienen ihre Züge ihm die Erinnerung an Ione zurückzurufen, und gerade bei dieser Erinnerung wurde sein Wahnsinn noch gewaltiger, und von Leidenschaft beherrscht und angetrieben, brach er in die Worte aus: »Ich schwöre bei Venus, bei Diana und Juno, daß ich, obgleich ich jetzt die Welt auf den Schultern trage, wie mein Landsmann Herkules (ha! schwerfälliges Rom, Alles was wahrhaftig groß war, kam aus Griechenland; selbst keine Götter hättest du, wenn wir nicht wären!) wie mein Landsmann Herkules vor mir, sage ich, sie für ein einziges Lächeln von Ione in das Chaos fallen lassen würde. Ach, schöne Angebete,« fügte er mit unaussprechlich zärtlicher und klagender Stimme hinzu, »Du liebst mich nicht. Du bist unfreundlich gegen mich. Der Egypter hat mich bei Dir verleumdet – Du weißt nicht, wie viele Stunden ich unter Deinem Fenster zugebracht – weißt nicht, wie ich die Sterne überwacht habe, in der Hoffnung, Du, meine Sonne, würdest endlich aufgehen – und Du liebst mich nicht, Du gibst mich auf. O verlaß mich jetzt nicht, ich fühle, daß mein Leben nicht mehr lange währen wird, laß mich wenigstens bis zum letzten Augenblicke Dich anschauen. Ich bin aus dem schönen Land Deiner Väter – habe die Höhlen von Phyle betreten – Hyacinthen und Rosen in den Olivenhainen des Ilissus gepflückt. Du, Du solltest mich nicht verlassen, denn Deine Väter waren Brüder der meinigen. Und man sagt zwar, dieses Land sei lieblich und dieser Himmel heiter – aber ich will Dich mit mir forttragen. He, dunkle Gestalt, weshalb erhebst Du Dich wie eine Wolke zwischen mir und ihr? Auf Deiner Stirne drohet in schrecklicher Ruhe der Tod – um Deine Lippen spielt das Lächeln, das mordet; Dein Name ist Orkus, aber auf Erden nennt man Dich Arbaces. Sieh, ich kenne Dich; fliehe, düsterer Schatten, Deine Zauber helfen nichts!«
    »Glaukus, Glaukus!« flüsterte Nydia, ließ seine Knie los und sank unter der Last ihrer Reue, Furcht und Qual bewußtlos auf den Boden.
    »Wer ruft?« fuhr er fort mit lauter Stimme, »Ione, sie ist's. Sie haben sie fortgetragen – wir wollen sie retten wo ist mein Stylus? Ha, ich hab' ihn! Ich komme, Ione, zu Deiner Befreiung – ich komme, ich komme.«
    Mit diesen Worten setzte der Athener mit einem Sprunge aus der Säulenhalle, lief durch das Haus und stürzte mit schnellen, aber schwankenden Schritten und laut mit sich selbst sprechend, die von den Sternen erleuchteten Straßen hinab. Der schreckliche Trank brannte wie Feuer in seinen Adern, denn seine Wirkung wurde vielleicht noch plötzlicher gemacht durch den Wein, den er zuvor getrunken. An die Excesse nächtlicher Schwärmer gewöhnt, machten die Bürger lächelnd und sich zuwinkend seinen taumelnden Schritten Platz. Sie glaubten ihn natürlich unter dem Einfluß des bromischen Gottes, der in Pompeji mit Wort und That verehrt wurde; diejenigen aber, die ihm schärfer ins Gesicht sahen, fuhren in namenloser Furcht zurück und das Lächeln erstarb auf ihren Lippen. Er durchzog die volkreicheren Straßen, gelangte, den Weg nach Ione's Haus mechanisch verfolgend, in ein verlassenes Viertel der Stadt, und trat jetzt in den einsamen Hain der Cybele, in welchem Apäcides seine Unterredung mit Olinth gehabt hatte.

Sechstes Kapitel.
Eine Vereinigung verschiedener handelnder Personen – Ströme, die anscheinend getrennt flossen, stürzen in einen gemeinsamen Schlund.
    Ungeduldig, zu erfahren, ob der grausame Trank von Julia seinem verhaßten Nebenbuhler bereits beigebracht worden

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