Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
Vom Netzwerk:
sei und mit welcher Wirkung, beschloß Arbaces, sich bei dem Einbruch des Abends nach dem Hause Diomeds zu begeben und seine Neugierde zu befriedigen. Wie bereits angeführt, war es zu jener Zeit üblich, daß die Männer auf ihren Ausgängen die Schreibtafel und den Stylus, an ihrem Gürtel befestigt, bei sich trugen, die mit dem Gürtel auch zu Hause wieder abgelegt wurden. Unter dem Anscheine eines Schreibinstrumentes aber führten die Römer eine sehr scharfe und fürchterliche Waffe bei sich. Gerade mit einem solchen Stylus [Fußnote: Von diesem Stylus stammt wahrscheinlich das Stilet der Italiener ab. ] erstach Cassius den Cäsar im Senat.
    Nachdem er also Gürtel und Mantel angelegt, verließ Arbaces sein Haus, stützte seine Schritte, die noch immer etwas schwach waren (obgleich Hoffnung und Rache in Verbindung mit seiner eigenen tiefen, ärztlichen Kenntnis dazu beigetragen hatten, ihm seine natürliche Kraft wiederzugeben) auf seinen langen Stab, und schlug den Weg nach der Villa des Diomed ein.
    Schön ist fürwahr das Mondlicht des Südens! In diesem Klima tritt die Nacht so schnell an die Stelle des Tages, daß Dämmerung kaum eine Brücke zwischen ihnen bildet. Ein Augenblick dunkleren Purpurs am Horizont – tausend rosiger Tinten im Wasser – eines über das Licht halb siegreichen Schattens – und dann brechen auf einmal hervor die zahllosen Sterne – der Mond ist da – die Nacht hat ihre Herrschaft wieder angetreten.
    Glänzend also, und sanft glänzend, fielen die Mondstrahlen auf den alten der Cybele geweihten Hain; die stattlichen, uralten Bäume warfen ihre langen Schatten auf den Boden, während durch die Öffnungen in den Zweigen zahllose Sterne still herabschienen. Die weiße Farbe des kleinen Sacellums in der Mitte des Hains, umgeben von dem dunkeln Laube, hatte etwas Unerwartetes und Abschreckendes an sich; sofort erinnerte es an den Zweck, dem das Gehölz geweiht war, seine Heiligkeit und seine Feierlichkeit.
    Mit schnellen und verstohlenem Schritt erreichte Kalenus, unter dem Schatten der Bäume hingleitend, den Tempel, schob die Zweige, die seiner hintere Seite rings umgaben, sachte zurück und nahm sein Plätzchen in seinem Verstecke ein, das durch den Tempel vorne und die Bäume hinten so gesichert war, daß kein Vorübergehender ihn irgend entdecken konnte, wofern er nicht etwa zuvor schon Verdacht gehegt hätte. Abermals war anscheinend Alles einsam in dem Hain; aus der Ferne hörte man schwach die Stimmen einiger lärmender Schwärmer, oder die Musik, die hinter den Gruppen spielte, welche damals wie noch heute unter jenem Himmel während der Sommernächte in den Straßen verwelkten und der frischen Luft und des sanften Mondlichtes eines milderen Tages genossen.
    Von der Höhe, auf welcher der Hain sich befand, sah man durch die Zwischenräume des Gehölzes die breite, purpurne, in der Ferne sich kräuselnde See, die weißen Villen von Stabäa an der geschweiften Küste und die dämmerigen lactiarischen Berge in den herrlichen Himmel verschwimmend. In diesem Augenblicke trat die hohe Gestalt des Arbaces auf seinem Wege nach dem Hause des Diomed in das Wäldchen ein, und in derselben Minute kreuzte Apäcides, seiner Verabredung mit Olinth gemäß, den Pfad des Egypters.
    »He, Apäcides,« rief Arbaces, der den Priester auf den ersten Blick erkannte; »als wir uns das letztemal trafen, warst Du mein Feind. Ich habe seitdem gewünscht, Dich zu sehen, denn ich möchte Dich noch immer zu meinem Freund und Zögling haben.«
    Apäcides fuhr bei der Stimme des Egypters auf, hielt plötzlich an und betrachtete ihn mit einem Gesicht, auf welchem sich Bitterkeit und Verachtung stritten.
    »Elender Betrüger,« sagte er endlich, »Du bist also dem Rachen des Grabes entgangen? Glaube übrigens nicht, mich aufs Neue mit Deinem sündhaften Gewebe zu umstricken zu können. Retiarius , ich bin gegen Dich gewaffnet!«
    »Still,« sagte Arbaces mit sehr leiser Stimme, aber der Stolz, der in diesem Abkömmlinge von Königen groß war, verrieth die Wunde, die ihm die Schimpfworte des Priesters beigebracht, durch das Zittern seiner Lippen und das Erröthen seiner dunklen Stirne.
    »Stille, leiser, man könnte Dich hören, und wenn andere Ohren als die meinigen diese Töne einsögen – dann –«
    »Drohest Du? – Was wäre es, wenn mich die ganze Stadt gehört hätte?«
    »Dann würden die Manen meiner Vorfahren nicht dulden, daß ich Dir vergebe. Aber halt und höre mich, Du bist wüthend, daß

Weitere Kostenlose Bücher