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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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zu jener Zeit,« nahm der Sohn der Wittwe von Neuem das Wort, »war ich gewesen wie andere Leute, gedankenlos, doch nicht verworfen – mich um nichts bekümmernd als um Liebe und Leben; ja, ich hatte mich zu den düstern Glauben der sinnlichen Saduzäer hingeneigt! Aber auferstanden von den Todten, aus fürchterlichen und öden Träumen, die diese Lippen nie enthüllen dürfen – wieder auf die Erde berufen, um die Macht des Himmels zu bestätigen – noch einmal sterblich geworden, um für die Unsterblichkeit Zeugnis abzulegen, brachte ich einen neuen Menschen aus dem Grabe mit. O unglückliches, o verlorenes Jerusalem – Ihn, von dem mein Leben kam, sah ich zu schrecklichem und qualvollem Tode verurtheilt – denn im dichten Gedräng sah ich das Licht über dem Kreuze schweben und leuchten – ich hörte Hohngeschrei des Volks – ich schrie laut – ich wüthete – ich drohte – Niemand kümmerte sich um mich – ich war verloren im Strudel und Gebrüll von Tausenden! aber selbst damals, in meiner und seiner Todesqual, schien es mir, als ob mich das glänzende Auge des Menschensohnes suche – seine Lippe lächelte, als ob sie den Tod besiegte – das beschwichtigte mich und ich wurde ruhig. Was war das Grab für ihn, der für einen Andern dem Grabe Trotz geboten? Die Sonne warf ihre schiefen Strahlen auf die blassen und so gewaltig zum Herzen sprechenden Züge und erlosch sodann. Finsternis fiel über die Erde, aber wie lange sie dauerte, weiß ich nicht – ein lauter Schrei erfüllte das Dunkel – ein scharfer und bitterer Schrei und Alles war still.
    »Aber wer kann die Schrecknisse jener Nacht beschreiben? Ich wandelte durch die Stadt – die Erde schwankte und die Häuser zitterten in ihren Grundfesten. – Die Lebenden hatten die Straßen verlassen, aber nicht die Todten ; durch das Dunkel sah ich sie gleiten – die düstern und gespensterhaften Gestalten in den Gewändern des Grabes mit Schrecken und Wehe und Warnungen auf ihren unbeweglichen Lippen und lichtlosen Augen! Sie schwebten an mir vorbei – sie starrten mich an – ich war ihr Bruder gewesen – und sie neigten ihre Häupter zum Zeichen der Erkennung: – sie waren auferstanden, um den Lebenden zusagen, daß die Todten auferstehen können! «
    Abermals hielt der alte Mann inne und fuhr sodann nach kurzer Pause in ruhigem Tone fort: »Von jener Nacht an entsagte ich jedem irdischen Gedanken, der nicht Ihm diente! Ein Prediger und ein Pilger habe ich die entferntesten Winkel der Erde durchreist, seine Göttlichkeit verkündend und neue Bekehrte seiner Heerde zuführend. Ich komme und gehe wie der Wind, und wie er, säe ich den Samen, welcher die Welt reich macht.
    »Auf Erden werden wir uns nicht wiedersehen, mein Sohn! Vergiß diese Stunde nicht – was sind alle Genüsse und alle Herrlichkeiten dieses Lebens? Wie die Lampe schimmert, glänzt auch das Leben für eine Stunde; aber der Seele Licht ist der Stern, der ewig flammt in dem Herzen des unermeßlichen Raumes.«
    Nunmehr ging ihr Gespräch auf die allgemeine, erhabene Lehre der Unsterblichkeit über; sie besänftigte und erhob das Gemüth des Neubekehrten, der noch vielfach an dem Dunst und Schatten jener Glaubenshöhle hing, die er erst neulich verlassen hatte – es war die Himmelsluft, die den endlich Freigelassenen anwehte. Zwischen dem Christenthum dieses alten Mannes und dem des Olinth herrschte ein gewaltiger und auffallender Unterschied; das des Ersteren war sanfter, milder, göttlicher. Der starke Heroismus des Olinth hatte etwas Trotziges, Unduldsames an sich; er war nothwendig zu der Rolle, die dieser zu spielen berufen war – er hatte mehr von dem Muthe des Märtyrers an sich, als von der Liebe des Heiligen. Statt zu überwältigen und zu sänftigen, regte und reizte er eher auf – stärkte er. Aber das ganze Herz des göttlichen Greises war in Liebe gebadet; das Lächeln der Gottheit hatte den Sauerteig irdischer und roher Leidenschaften hinweggenommen und ihm bei der Energie des Helden die ganze Sanftmuth des Kindes verliehen.
    »Und jetzt,« sagte er sich endlich bedenkend, als der letzte Strahl der Sonne im Westen erstarb, »jetzt in der Kühle des Zwielichts setze ich meinen Weg nach dem kaiserlichen Rom fort; dort leben noch manche heilige Männer, die gleich mir das Angesicht Christi geschaut haben, und sie möchte ich gerne vor meinem Tode noch sehen.«
    »Aber die Nacht ist kalt für Dein Alter, mein Vater, und der Weg ist lang und die Räuber belagern ihn;

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