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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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selbst erfüllt, – wie konnte sie da der Gelegenheit widerstehen, sich Gegenliebe zu erwerben?
    Um sich aufrecht zu erhalten, lehnte sie sich an die Wand, und ihr Gesicht, vorher so glühend, war jetzt weiß wie Schnee; ihre zarten Hände krampfhaft in einandergeschlungen, ihre Lippen geöffnet und die Augen auf den Boden geheftet, harrte sie, welche Worte wohl Glaukus zunächst reden werde.
    Dieser hatte den Becher an seine Lippen gesetzt, hatte schon etwa den vierten Theil seines Inhalts geleert, als er, zufällig auf das Gesicht Nydia's blickend, von der Veränderung, von dem gewaltigen, schmerzlichen und sonderbaren Ausdruck desselben so sehr betroffen wurde, daß er plötzlich absetzte und den Becher noch immer an den Lippen haltend, ausrief: »Wie, Nydia – Nydia sag ich, bist Du krank oder hast Du Kummer? Gesteh es nur, Dein Gesicht sagt es deutlich. Was fehlt meinem armen Kind?«
    Während er sprach, setzte er den Becher nieder, und stand auf, um sich ihr zu nähern, als sein Herz ein plötzlicher Stich kalt durchzuckte, dem sogleich eine wilde, verwirrte schwindelnde Empfindung im Gehirn folgte. Der Fußboden schien unter ihm zu weichen – ihm ward, als schwebe er in den Lüften – mächtige überirdische Heiterkeit bemächtigte sich seines Geistes – er fühlte sich zu leicht für die Erde – er sehnte sich nach Flügeln, ja, in der Begeisterung seines neuen Daseins glaubte er sie zu besitzen. Unwillkürlich brach er in ein lautes, durchdringendes Gelächter aus. Er klatschte in die Hände – sprang in die Höhe – war wie eine begeisterte Pythia; doch schnell, wie sie gekommen, verschwand diese übernatürliche Entzückung, obwohl nur theilweise. Er fühlte jetzt sein Blut wild und rasch durch seine Adern strömen; es schien zu schwellen, zu jubeln, dahinzuhüpfen, wie ein Strom, der seine Dämme durchbrochen hat und dem Ocean zueilt. In seinem Ohr ertönte mächtiges Getöse – er fühlte, wie es zur Stirne aufstieg – fühlte, wie die Adern in seinen Schläfen sich streckten und schwellten, als ob sie die ungestüme, steigende Flut nicht länger zu fassen vermöchten. Dann sank eine Art von Finsternis auf seine Augen, aber keine gänzliche Finsternis, denn durch den dunklen Schatten sah er die gegenüberliegenden Wände glühen und die darauf gemalten Gestalten schienen sich wie Geister zu bewegen. Was am sonderbarsten war, er fühlte sich durchaus nicht unwohl; er erlag, er erschlaffte nicht unter dem fürchterlichen Wahnsinn, der sich über ihm zusammenzog. Die neuen Gefühle schienen lebhaft und strahlend; ihm war, als ob eine jugendlichere Gesundheit in seinem Körper gegossen worden wäre. Er glitt der Verrücktheit zu – und er wußte es nicht!
    Nydia hatte seine erste Frage nicht beantwortet – war außer Standes gewesen zu antworten; sein wildes und schreckliches Gelächter hatte sie aus ihren stürmischen Zweifeln aufgeweckt. Sie konnte seine trotzigen Geberden nicht sehen – konnte seinen wankenden und unstäten Schritt, mit dem er bewußtlos auf- und abging, nicht bemerken, aber sie hörte die abgebrochenen, unzusammenhängenden, sinnlosen Worte, die seinem Munde entströmten. Schrecken und Bestürzung kamen über sie – sie eilte zu ihm, und fühlte mit den Armen umher, bis sie seine Knie berührte, die sie, sich zu Boden werfend, umschlang, unter Thränen des Schreckens und der Aufregung.
    »O sprich zu mir, sprich, hassest Du mich? Sprich, sprich!«
    »Bei der strahlenden Göttin! Ein schönes Land, dieses Cypern. Ha! wie sie uns mit Wein statt mit Blut füllen! Jetzt öffnen sie die Adern jenes Fauns, um zu zeigen, wie es sprudelt und schäumt. Komm hierher, munterer, alter Gott! Du reitest auf einem Bock? – Was er für langes Seidenhaar hat! Er ist mehr werth, als alle Rosse Parthiens. Aber ein Wort mit Dir – Dein Wein ist zu stark für Unsterbliche. O wie schön! Die Zweige sind in Ruhe, die grünen Wogen des Waldes haben den Zephyr gefangen und ertränkt! Kein Lüftchen bewegt die Blätter und ich sehe die Träume mit zusammengelegten Flügeln auf der regungslosen Eiche schlafen, und weiterhin sehe ich einen blauen Strom im stillen Mittag funkeln; einen Springbrunnen, einen munter emporsteigenden Springbrunnen. Ach, mein Quell, du wirst die Strahlen meiner griechischen Sonne nicht auslöschen, obgleich du dich mit deinen zarten Silberarmen so gewaltig abmühst. Und was für eine Gestalt schleicht jetzt dort durch das Gebüsch? Sie hat einen Kranz von Eichenlaub auf

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