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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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Seufzer sogar, gerade am Fuß der heiligen Kapelle.
    Einen Augenblick schaute ihn Arbaces an, mit der wilden thierischen Freude des Sieges über einen Feind. Abe sofort drängte sich ihm das volle Bewußtsein der Gefahr, der er ausgesetzt war, auf; sorgfältig wischte er seine Waffe im langen Gras und sogar an den Kleidern seines Opfers ab, hüllte sich in seinen Mantel und wollte eben fortgehen, als er gerade vor sich die Gestalt eines jungen Mannes heraufkommen sah, dessen Schritte seltsam schwankten; das ruhige Mondlicht strömte voll auf das Gesicht des Herannahenden, das durch den bleichenden Strahl weiß wie Marmor schien. Der Egypter erkannte die Gestalt und die Züge des Glaukus. Der unglückliche, in geistige Dunkelheit gehüllte Grieche sang ein unzusammenhängendes, wahnwitziges Lied, aus Bruchstücken von Hymnen und heiligen Oden bestehend, wie sie die umnachtete Aufregung augenblicklich eingab.
    »Ha,« dachte der Egypter, seinen Zustand und dessen schreckliche Ursache sofort erratend, »so wirkt also der Höllentrank und das Schicksal hat Dich hierhergesendet, damit ich zwei meiner Feinde zugleich vernichte!«
    Schnell, und ehe dieser Gedanke ihm gekommen war, hatte er sich auf eine Seite der Kapelle zurückgezogen und unter den Zweigen verborgen; von diesem Versteck aus lauerte er, wie der Tiger auf seinem Lager, auf die Annäherung seines zweiten Opfers. Er bemerkte das unstäte Feuer in den hellen und schönen Augen des Atheners, die Krämpfe, die seine herrlichen Züge und seine farblosen Lippen verzerrten. Er sah, daß der Grieche seiner Vernunft gänzlich beraubt war. Als Glaukus jedoch der Leiche des Apäcides sich näherte, aus welcher der dunkelrothe Strom langsam über das Gras hinfloß, ergriff ihn gleichwohl, so verwirrt und verdunkelt auch sein Bewußtsein war, ein so sonderbarer und schrecklicher Anblick gewaltig. Er hielt an, legte die Hand an die Stirne, als wolle er sich sammeln, und sagte dann: »He, Endymion, schläfst Du so fest, was hat Selene Dir gesagt? Du machst mich eifersüchtig, es ist Zeit zu erwachen.«
    Mit diesen Worten beugte er sich, in der Absicht, den Leichnam aufzuheben.
    Seine eigene Schwäche vergessend und sie nicht fühlend, sprang der Egypter aus seinem Versteck hervor und versetzte dem Griechen, während er sich niederbeugte, einen so gewaltigen Streich, daß er gerade über den Leichnam des Christen hinfiel; dann schrie er mit seiner kräftigen Stimme so laut er konnte: »Holla, Bürger, holla, Hülfe! hierher, hierher, ein Mord – ein Mord – dicht vor Eurem Tempel! Hülfe, oder der Mörder entrinnt!«
    Also rasend setzte er seinen Fuß auf die Brust des Glaukus; eine leere und überflüssige Vorsicht, denn durch die Wirkung des Trankes und des Falles lag der Grieche regungslos und bewußtlos da, ausgenommen, daß dann und wann unbestimmte, wahnsinnige Laute seinen Lippen entschlüpften.
    Während Arbaces hier stund, in Erwartung Derer, die seine Stimme herbeigerufen fortfuhr, stellten sich vielleicht Reue und Gewissensbisse in seiner Brust ein; denn trotz seiner Verbrechen fühlte er menschlich. Der wehrlose Zustand des Glaukus, seine sinnlosen Worte, seine zerrüttete Vernunft rührten ihn mehr sogar als der Tod des Apäcides, und halb hörbar sagte er zu sich selbst: » Armer Staub – arme menschliche Vernunft! Wo ist jetzt die Seele? Ich könnte Dich schonen, mein Nebenbuhler – hinfort nicht mehr mein Nebenbuhler! Aber das Geschick muß erfüllt werden; meine Sicherheit erheischt Deine Opferung,« und jetzt schrie er, als wollte er die Stimme seines Gewissens übertäuben, noch lauter, zog aus dem Gürtel des Glaukus den dort befindlichen Stylus hervor, tauchte ihn in das Blut des Ermordeten und legte ihn neben den Leichnam.
    Schnell und athemlos eilten jetzt mehre Bürger herbei, einige mit Fackeln versehen, die der Mond zwar unnöthig machte, die aber einen rothen und zitternden Schimmer gegen das dunkle Laub der Bäume warfen. Alle umgeaben den Ort.
    »Hebt jene Leiche auf,« sagte der Egypter, »und bewacht den Mörder gut.«
    Sie erhoben den Körper, und groß war ihr Entsetzen und ihre fromme Entrüstung, als sie in diesem leblosen Staube einen Priester der angebeteten und verehrungswürdigen Isis entdeckten; aber noch größer vielleicht ihr Erstaunen, als sie in dem Angeklagten den glänzenden und bewunderten Athener erkannten.
    »Glaukus,« riefen die Umstehenden einstimmig, »ist es möglich?«
    »Eher,« flüsterte Einer seinem Nachbar zu,

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