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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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wird.«
    Plötzlich wechselte die Scene. Arbaces stand auf einem Gefilde voll menschlicher Gebeine, und mitten unter diesen Gebeinen befand sich ein Schädel; dieser nahm allmählig mit seinen fleischlosen Höhlen in dem geheimnisvollen Gewirre des Traumes die Züge des Apäcides an, und aus den grinsenden Kinnladen kroch ein kleiner Wurm zu den Füßen des Arbaces hin. Der Egypter wollte den Wurm zertreten; aber dieser wurde immer länger und dicker, bis er endlich zu einer ungeheuern Schlange anschwoll, welche die Glieder des Arbaces umstrickte, seine Knochen zermalmte, und mit glühenden Augen und giftigen Zähnen ihm nach dem Gesichte fuhr. Er sträubte und wandte sich vergebens – er wankte unter dem Einflusse des erstickenden Athems der Schlange – der Schauer des Todes erfaßte ihn mit eisiger Kälte. Eine Stimme ertönte aus dem Rachen des Ungethüms, das die Züge des Apäcides annahm, und in das Ohr des Arbaces klangen die Schreckensworte:
    » Dein Opfer ist Dein Richter! Der Wurm, den Du zertreten wolltest, wird die Schlange, welche Dich zermalmt! «
    Mit einem Schrei des Entsetzens und verzweifelten Widerstandes erwachte Arbaces; sein Haar sträubte sich, über seine Stirne rannen schwere Schweißtropfen, und seine Augen starrten verworren, denn seine sonst gewaltige Körperkraft beugte sich zitternd unter dem Gewichte dieses Traumes. Als er endlich zum vollen Bewußtsein kam, so dankte er den Göttern, an die er nicht glaubte, das Alles nur ein Traum war. Er sah sich nach allen Seiten um, gewahrte, wie das dämmernde Licht durch das schmale, aber hohe Fenster hereindrang, er freute sich, er lächelte dem neuen Tage entgegen; da fielen auf einmal seine Blicke auf die geisterhaften Züge, die starren Augen und die welken Lippen der Hexe des Vesuvs!
    »Ha!« schrie er, die Hände vors Gesicht haltend aus Bangigkeit vor der unheimlichen Erscheinung, »träume ich noch? – weile ich unter den Todten?«
    »Gewaltiger Hermes – nein! Es steht neben Dir eine Todtenähnliche, aber keine Todte. Erkennst Du nicht Deine Freundin und Sklavin?«
    Ein langes Schweigen folgte. Allmählig ließen die Schauer, welche die Glieder des Egypters durchzuckten, nach, und er gewann wieder seine frühere standhafte Fassung.
    »Ein Traum war es also!« sagte Arbaces: »aber für die Schrecken eines solchen Traumes, einer solchen Nacht, vermag der Tag keinen Ersatz zu bieten. Weib, wie kamst Du hieher und warum?«
    »Ich kam, um Dich zu warnen,« antwortete die Grabesstimme der Hexe.
    »Mich warnen! Der Traum log also nicht? Mich warnen! Und vor welcher Gefahr?«
    »Höre mich. Eine Gefahr schwebt über dieser Stadt. Fliehe, während es noch Zeit ist. Du weißt, daß ich an dem Berge hause, unter welchem, einer alten Sage zufolge, die Feuerfluten des Phlegeton noch glühen; in meiner Höhle ist ein ungeheurer Abgrund, und in diesem Abgrunde habe ich neulich einen düsterrothen Strom langsam hin- und herwallen sehen, und habe viele gewaltige Töne gehört, die in der Tiefe tobten, rauschten und zischten. Aber als ich vergangene Nacht hinunterschaute, da erschien der Strom nicht mehr düster, sondern glänzend hell. Während ich nun darüber staunte, stieß das Thier, welches schon lange mein Lebensgefährte war und sich jetzt an meine Seite schmiegte, ein durchdringendes Geheul aus, fiel zu Boden und starb, indes Geifer und Schaum seine Lippen umzog. [Fußnote: Wahrscheinlich brachte die Ausdünstung hier die gleiche Wirkung hervor, wie in der Grotta del Cane . ] Ich schlich nach meinem Lager zurück, vernahm aber auch dort die ganze Nacht hindurch das Zittern und Wanken des Felsens – und obgleich die Luft dumpf und ruhig war, dauerte das unterirdische Brausen und Rollen dennoch fort. Als ich diesen Morgen mit Tagesanbruch mich erhob und abermals in den Abgrund hinunterblickte, da sah ich ungeheure schwarze Steinmassen über dem Glutstrome und dieser selbst war breiter, feuriger und röther, als in der vorigen Nacht. Jetzt trat ich zur Hütte hinaus und bestieg den Gipfel des Berges. Dort fand ich eine große Vertiefung, die zuvor nicht dagewesen, und aus dieser Vertiefung drang ein dichter Dampf, dessen erstickender Gifthauch mir beinahe das Leben gekostet hätte. Ich kehrte nun wieder in meine Hütte zurück, nahm mein Geld und meine Tränke und verließ den Ort, wo ich schon so viele Jahre gehaust habe; denn ich erinnerte mich einer etruskischen Prophezeihung, welche sagt: ›Wenn der Berg sich öffnet, wird die Stadt

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