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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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vorübergetrieben, und dem Träumer vergingen die Augen ob diesem unaufhörlich wechselnden Gewimmel.
    Er wandte sich weg – und in der Tiefe der Halle sah er die hohe Gestalt einer Riesin auf einem Haufen Schädel sitzen. Ihre Hände arbeiteten an einem aschgrauen Gewebe, das mit den zahllosen Rädern in Verbindung stand und ihre Mechanik zu leiten schien. Eine unsichtbare Gewalt stellte ihn dem Titanengewebe von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Ihre Züge hatten einen feierlichen und erhabenen Ausdruck und trugen das Gepräge der wolkenlosen Schönheit; sie schienen dem Gesichte einer kolossalen Sphynx aus der alten Zeit seines Vaterlandes anzugehören. Keine Leidenschaft – keine menschliche Regung störte den Frieden ihrer faltenlosen Stirne; weder Schmerz noch Freude, weder Erinnerung noch Hoffnung – nicht Eines von den Wechselgefühlen des menschlichen Herzens sprach aus ihren Marmorzügen. Ihre Schönheit war mit dem Geheimnis der Geheimnisse besiegelt – sie flößte Ehrfurcht, aber nicht Schrecken ein; es war die Verkörperung des Erhabenen. Und Arbaces fühlte eine Stimme über seine Lippen treten, die einer andern Gewalt, als seinem Willen gehorchte, und die Stimme fragte: »Wer bist Du, oder was ist Dein Geschäft?«
    »Ich bin das, was Du anerkannt hast,« antwortete das Riesengesicht, ohne die Arbeit zu unterbrechen. »Mein Name ist Natur! Das sind die Räder der Welt, und meine Hand leitet sie zur Belebung aller Dinge.«
    »Und was sind diese Gesänge,« fragte Arbaces Stimme weiter – »was sind diese Gesänge, die so seltsam und grauenhaft erleuchtet, auf beiden Seiten in den Abgrund der Finsternis verlaufen?«
    »Der Gang zur Linken,« antwortete die Riesin, »ist die Galerie der Ungebornen; die Schatten, welche aus dem Hintergrunde heranschweben und in die Höhe emporsteigen, sind die Seelen, die aus der unergründlichen Ewigkeit des Seins emporkommen, um ihre Bestimmung auf Erden anzutreten. Der Gang zur Rechten, wie die dunkeln Schatten von oben herabschweben, ist die Galerie der Todten.«
    »Und was sollen,« forschte Arbaces' Stimme ferner, »was sollen jene wandernden Flämmchen, welche in wilden Sprüngen die Finsternis durchbrechen; aber nur durchbrechen , nicht erleuchten? «
    Einfältiger Thor des menschlichen Wissens, der Du von den Sternen träumst und das Wesen und den Ursprung der Dinge ergründen willst! Diese Lichter sind nur die Schimmer der Wissenschaft, die der Natur verliehen ist, um ihr den Weg zu zeigen, und so viel von der Vergangenheit und Zukunft zu enthüllen, daß sie im Stande ist, ihre Zwecke zu verfolgen. Urtheile nun, Drahtpuppe, die Du bist, urtheile, wie viel Licht Dir zufällt!«
    Arbaces zitterte, als er weiter fragte: »Was soll ich hier?«
    »Den Vorgeschmack Deiner Zukunft erhalten – das auf Dich wartende Halbdunkel ahnen – den Schatten Deines Verhängnisses sehen, wie er in die Ewigkeit hinübergleitet, wenn er die Erde hinter sich läßt.«
    Ehe Arbaces antworten konnte, vernahm er das Rauschen eines Windes, und es war ihm, als peitschte ein unsichtbarer Riesenvogel die Luft mit seinen Schwingen. Der Boden wich unter seinen Füßen, und er wurde in die Lüfte getragen wie ein Blatt, das die Stürme des Herbstes entführen. Auf einmal sah er sich mitten unter den Gespenstern des Todes und fühlte sich mit ihnen dahingerissen in den Abgrund der Finsternis. Während er in unmächtigem Sträuben mit der fremden Gewalt rang, kam es ihm vor, als ob er Wind eine Gestalt annehme – gleich den Schwingen und Krallen eines Adlers, dessen Glieder sich nur wie in der Luft zerfließende Umrisse zeigten, der aber mit glänzenden, starren, fast versteinerten Augen ihn anblickte.
    »Wer bist Du?« ertönte wiederum die Stimme des Egypters.
    »Ich bin das, was Du anerkannt hast,« antwortete das Gespenst laut auflachend, »und mein Name ist Nothwendigkeit .«
    »Wohin willst Du mich führen?«
    »Zu dem Unbekannten.«
    »Zum Glück oder zum Weh?«
    »Wie Du gesäet hast, so wirst Du ernten.«
    »Nein, nimmermehr! Du schauervolles Wesen! Bist Du der Herr des Lebens, so sind meine Missethaten Deine und nicht meine Schuld.«
    »Ich bin nur der Athem Gottes!« entgegnete der gewaltige Wind.
    »Dann ist mein Wissen eitel!« seufzte der Träumer.
    »Darf der Landwirth, welcher Disteln gesäet hat, das Schicksal anklagen, weil er kein Korn erntet? Du hast die Saat des Lasters ausgestreut – klage also das Schicksal nicht an, wenn Dir nicht die Ernte der Tugend zu Theil

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