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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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die gewiß keine Epikuräer sind, gewaltig zu Nutze machten! Er glaubte, daß man den göttlichen Mächten wegen der Verehrung, die ihre Glückseligkeit und Vortrefflichkeit in den Gemüthern erwecken, nicht aber wegen Furcht vor ihrer Rache oder Scheu vor ihrer Macht Anbetung schuldig sei: eine erhabene und furchtlose Philosophie, die vielleicht für ein Halbdutzend großer und gebildeter Geister paßte, die aber die Leidenschaften der Menge nicht im Zaume zu halten vermöchte. Nach Epikurs Ansicht waren die Götter mit Beschauung ihrer eigenen Seligkeit viel zu angenehm beschäftigt, um sich mit den Schmerzen und Freuden, den Streitigkeiten und Sorgen, den kleinlichen und vorübergehenden Angelegenheiten der Menschen den Kopf anzufüllen. Für diese Erde waren sie theilnahmslose Abstraktionen. ]
     
    Noch ehe diese Worte verhallten, faßten die Nazarener, von plötzlichem Unwillen ergriffen, das Echo auf, und sangen in den Worten einer ihrer Lieblingshymnen mit lauter Stimme also:
Ueberall und immer gegenwärtig
Ist dein Gott, o Mensch, und fleht und hört dich;
Führt einher in tobenden Gewittern,
Und die Himmel und die Tiefen zittern.
Weh den Stolzen, die sich ihm nicht beugen,
Weh den Träumern, die von ihn nicht zeugen!
Weh den Sündern, weh!
Denn wenn die Posaunen einst erschallen,
Oeffnen sich des Todes grause Hallen
Und ein Schmerz durchwogt das Feuermeer,
Saust und braust in wilder Flut daher,
Jede Woge ein lebendig Wesen!
Sonn' und Sterne geben keinen Schein
Und die Himmel rollen sich zusammen,
Die Verlornen von dem Herrn zu scheiden.
Weh den Stolzen, die sich ihm nicht beugen,
Weh den Träumern, die von ihn nicht zeugen!
Weh den Sündern, weh!
     
    Auf diese prophetischen Worte trat in dem aufgeschrecktem Festsaale eine plötzliche Stille ein; die Christen gingen weiter und waren bald den Blicken des Gladiators entschwunden. Von ihren geheimnisvollen Drohungen – er wußte selbst kaum weshalb – mit heiliger Scheu erfüllt, erhob sich jetzt Lydon nach kurzer Pause, um seinen Weg nach Hause fortzusetzen.
    Wie heiter schlief das liebliche Sternenlicht auf dieser Stadt vor ihm, wie athemlos ruhten die säulenbekränzten Straßen in ihrer Schönheit! – Wie sanft kräuselten sich jenseits die dunkelgrünen Wogen, wie wolkenlos breitete sich in seinem hohen Blau der träumende Himmel Kampaniens aus! Und doch war dies die letzte Nacht für das heitere Pompeji, die Kolonie des rauhen Chaldäers, die mystische Stadt des Herkules und die Wonne des genußsüchtigen Römers! Unbeachtet und ruhig war Jahrhundert auf Jahrhundert über ihr Haupt hinweggerollt und jetzt zitterte der letzte Strahl auf dem Zifferblate ihres Geschicks!
    Der Gladiator hörte leichte Schritte hinter sich; eine Gruppe Frauen kehrte von dem Besuch des Amphitheaters zurück. Als er sich umsah, wurde sein Auge von einer sonderbaren und plötzlichen Erscheinung gefesselt. Von dem in der Ferne dämmernden Gipfel des Vesuves schoß ein blasses, meteorartiges Licht auf – es zitterte einen Augenblick und verschwand dann wieder, und in dem gleichen Augenblick, da Lydon dies gewahrte, sang eine der jüngsten unter den Frauen mit heiterer und heller Stimme:
Tripp, trapp, sie schreiten mit stolzem Gefühl!
Juchheisa, zum lustigen, lustigen Spiel!
     

Sechstes Buch.
    Stat ecce ad aras hostia, expectat manum
Cervive proni.
Senec.
Mutatus ordo est – sede nil prorpriä jacet.
Sed acta retro cuneta.
Ibid.
Tempore quamquam illo tellus quoque et æquora ponti
Signa dabant
Virgil. Georgie. lib 1.
     

Erstes Kapitel.
Der Traum des Arbaces – Ein warnender Besuch.
    Düster verstrich die schauervolle Nacht, welche der wilden Luft des Amphitheaters voranging, und ahnungsgrauend brach der Morgen des letzten Tages von Pompeji an! Die Luft war ungewöhnlich ruhig und schwül – ein dünner, dunstiger Nebel schwebte auf den Thälern und Gründen des weiten kampanischen Gefildes. Aber mit Erstaunen bemerkte der früh geschäftige Fischer, daß ungeachtet der Ruhe die Atmosphäre die See wie im Sturme wogte und sich scheu vom Gestade zurückzog, währen der blaue, lange Sarnus, dessen frühere Breite der Wanderer jetzt vergeblich sucht, auf seinem Zuge durch die lachenden Ebenen und stolzen Landgüter ein heiseres, stolzes Gemurmel vernehmen ließ. Über dem Dunstmeere des Nebels erhoben sich die grauen Thürme der uralten Stadt, die rothen Dächer der stattlichen Häuser, die hehren Säulen der Tempel und die statuengekrönten Portale des Forums und des

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