Die letzten Tage von Pompeji
fallen – wenn der Rauch über den Hügel der verbrannten Felder sich erhebt, werden die Kinder der See weinen und wehklagen.‹ Furchtbarer Meister, ehe ich von dieser Gegend scheide, um in der Ferne eine andere Wohnung aufzusuchen, komme ich zu Dir. So gewiß als Du lebst, war das Erdbeben, welches vor sechszehn Jahren diese Stadt in ihren Grundfesten erschütterte, nur der Vorbote eines noch schrecklicheren Schicksals. Die Wälle Pompeji's stehen über den Gefilden des Todes und den Strömen der schlaflosen Unterwelt. Verachte nicht meine Warnung und fliehe!«
»Habe Dank, Alte, für Deine Sorge um einen keineswegs Unerkenntlichen. Dort auf dem Tische steht ein goldener Becher; nimm ihn, er ist Dein. Ich ahnte nicht, daß es außer der Priesterschaft der Isis noch ein Wesen gäbe, das den Arbaces vom Verderben retten würde. Die Zeichen, welche Du in dem Krater des erloschenen Vulkans gesehen hast,« fuhr der Egypter fort, »deuten sicher auf eine der Stadt drohende Gefahr, vielleicht auf ein Erdbeben, das noch schrecklicher wird als das vorhergehende. Dem sei nun wie ihm wolle, ich habe einen neuen Grund, mich schleunig aus diesen Mauern zu entfernen. Morgen will ich Anstalt zu meiner Abreise treffen. Tochter Etruriens, wohin wendest Du Dich?«
»Ich werde noch heute den Weg nach Herkulanum einschlagen, und dann, längs der Küche hinwandernd, mir eine neue Heimath suchen. Ich habe keinen Freund mehr; meine beiden Gefährten, der Fuchs und die Schlange, sind todt. Großer Hermes, Du hast mir noch zwanzig Lebensjahre verheißen!«
»Ja, ich habe sie Dir verheißen,« sagte der Egypter. »Aber, Weib,« fügte er, sich auf seinen Arm stützend und ihr neugierig ins Gesicht blickend, hinzu, »höre, warum willst Du so lange leben? Welche Annehmlichkeit findest Du in dem menschlichen Dasein?«
»Das Leben ist gerade nicht süß, aber der Tod ist furchtbar,« erwiderte die Hexe in so scharfem, eindringlichem Tone, daß der eitle Astrolog tief davon erschüttert wurde. Er fühlte die grausame Wahrheit ihrer Antwort, und nicht länger bemüht, einen so unwillkommenen Gast zurückzuhalten, sprach er: »Die Zeit verrinnt; ich muß mich zu dem heutigen Schauspiele bereit machen. Schwester, lebe wohl! Freue Dich, wenn Du kannst, über der Asche des Lebens.«
Die Hexe, welche das kostbare Geschenk des Arbaces in die weiten Falten ihres Kleides verborgen hatte, schickte sich jetzt zum Aufbruche an. Als sie die Thüre erreicht, stand sie stille, kehrte sich um und sagte: »Vielleicht sehen wir uns jetzt zum letztenmale auf Erden; aber wohin entweicht die Flamme, wenn sie die Asche verläßt, wenn sie hin und her, auf und ab züngelt wie der Irrwisch auf dem Moore? Die Flamme zieht sich vielleicht in die Tiefe des Sumpfes zurück, und die Hexe und der Zauberer, die Schülerin und der Meister, das Hohe und das Verachtete treffen sich vielleicht wieder. Lebe wohl!«
»Hinaus, Du Unglücksprophetin!« murmelte Arbaces, als die Thüre sich hinter der Hexe schloß, und als wären ihm seine eigenen Gedanken, die noch immer an dem Traume der letzten Nacht hingen, zuwider, rief er eilends nach seinen Sklaven.
Gewöhnlich wohnte man den amphitheatralischen Schauspielen in festlichen Gewändern bei, und Arbaces verwandte an diesem Tage auf seine Kleider eine größere Sorgfalt als sonst. Seine Tunika war von dem glänzendsten Weiß; die zahlreichen Fibulä bestanden aus den kostbarsten Steinen; über der Tunika wallte ein weites orientalisches Gewand, halb Rock, halb Mantel, von dem reichsten tyrischen Purpur; seine Sandalen, welche bis zur Hälfte der Waden hinaufreichten, waren mit Juwelen und Gold eingelegt. Unter den Gaukeleien, die sein priesterlicher Genius liebte, vernachlässigte Arbaces bei wichtigen Gelegenheiten niemals diejenigen Künste, welche blenden und den Pöbel bestechen; an diesem Tage jedoch, der ihn durch den Tod des Glaukus für immer von einem gefährlichen Nebenbuhler und der Möglichkeit der Entdeckung befreien sollte, war es ihm, als bereite er sich zu einem Triumphe oder zu einem Hochzeitsfeste vor.
Männer von Rang ließen sich zu den Spielen des Amphitheathers stets durch ein zahlreiches Gefolge von Sklaven und Freigelassenen begleiten; auch die große Dienerschaft des Arbaces stand bereits in der schönsten Ordnung versammelt, um der Sänfte ihres Herrn zu folgen.
Diejenigen Sklavinnen hingegen, welche Ione bedienten, sowie der würdige Sosia, Nydia's Gefangenwärter, mußten zu ihrem nicht
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