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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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vermochte er nicht mehr vor unwürdigen und gemeinen Ohren auszusprechen. Sie war nicht mehr jenes schöne, einst gesehene und in leidenschaftlichem Andenken bewahrte Mädchen; jetzt war sie die Gebieterin, die Göttin seines Herzens. Wer hat dieses Gefühl nie erfahren? Wenn du es nie empfunden, so hast du nie geliebt!
    Als daher Klodius mit affektirtem Entzücken von Ione's Schönheit redete, empfand Glaukus nur Ärger und Widerwillen, daß ein solcher Mund ihr Lob auszusprechen wagte; er antwortete kalt, so daß der Römer glaubte, seine Leidenschaft sei eher geheilt als gesteigert. Klodius bedauerte dies kaum; denn er wünschte sehr, den Glaukus mit einer noch viel reicheren Erbin zu verheirathen, mit Julia, der Tochter des reichen Diomed, dessen Geld er hiedurch leicht in seine eigene Kasse leiten zu können glaubte. Das Gespräch der Freunde hatte heute den gewöhnlichen Fluß nicht, und sobald Klodius von Glaukus fortgegangen war, schlug dieser den Weg nach Ione's Wohnung ein. Auf der Schwelle seines Hauses begegnete ihm Nydia wieder, die soeben ihr anmuthiges Geschäft beendigt hatte. Sie erkannte seinen Schritt augenblicklich.
    »Du gehst frühe aus,« sagte sie.
    »Ja; denn der kampanische Himmel ist dem Trägen böse, der ihn vernachlässigt.«
    »Ach, daß ich ihn nicht sehen kann!« murmelte die junge Blinde, aber mit so leiser Stimme, daß Glaukus ihre Klage nicht vernahm.
    Die Thessalierin blieb eine Zeitlang auf der Schwelle stehen, hierauf suchte sie mit Hülfe eines langen Stabs, dessen sie sich mit großer Geschicklichkeit bediente, zu ihrer Wohnung zurückzugelangen. Sie wandte sich von den belebteren Straßen der Stadt ab und trat in ein von anständigen und sittsamen Leuten nur wenig besuchtes Stadtviertel. Ihre Blindheit ersparte ihr den Anblick der niederen und rohen Zeichen des Lasters. Überdies war es um diese Zeit in den Straßen ruhig und still, und so wurde auch ihr jugendliches Ohr nicht durch die Töne beleidigt, die allzu oft in jenen dunkeln Schlupfwinkeln wiederhallten, inmitten deren sie traurig und geduldig hinwandelte.
    Sie klopfte an die Hinterthüre einer Art Schenke; man öffnete und eine rauhe Stimme befahl ihr, über die eingenommenen Sesterzien Rechenschaft abzulegen. Ehe sie zu einer Antwort Zeit hatte, sagte eine andere, etwas minder gemeine Stimme: »Kümmre Dich nicht um diesen kleinen Gewinn, mein Burbo; bei den Festen unseres reichen Freundes wird man der Stimme des Mädchens bald wieder bedürfen, und Du weißt, daß er solche Nachtigallenzungen ziemlich theuer bezahlt.«
    »Ach! ich will nicht hoffen – ich glaube nicht –« rief Nydia zitternd; »ich will vom Aufgang bis zum Untergang der Sonne betteln, schickt mich nur nicht dorthin!«
    »Und warum denn?« fragte dieselbe Stimme.
    »Weil ich – weil ich jung und zart von Geburt bin, und weil die Frauenzimmer, die ich dort treffe, keine anständige Gesellschaft sind für Eine, die – die –«
    »Sklavin im Hause Burbo's ist,« fiel die Stimme ironisch und mit rauhem Gelächter ein.
    Die Thessalierin stellte die Blume nieder, verbarg ihr Gesicht in ihren Händen und weinte still.
    Während dieser Zeit begab sich Glaukus nach der Wohnung der schönen Neapolitanerin. Er traf Ione unter ihren Dienerinnen sitzend, die um sie herum arbeiteten; ihre Harfe stand neben ihr, denn Ione war heute müßiger, vielleicht nachdenklicher als gewöhnlich. Er fand sie beim Morgenlicht und in ihrem einfachen Kleide sogar schöner, als am vorigen Abende, beim Glanze vieler Lampen und im Schmucke der kostbarsten Juwelen, und diese Schönheit wurde seines Erachtens weder durch eine gewisse Blässe, die auf ihrer durchsichtigen Haut lag, noch durch die schnelle Röthe vermindert, die bei seiner Annäherung darüber hinflog. Obgleich er zu schmeicheln gewohnt war, so erstarb doch die Schmeichelei auf seinen Lippen, als er Ione anredete; er fühlte, daß es ihrer unwürdig sei, die Huldigung, die jeder seiner Blicke darbrachte, durch Worte auszudrücken. Sie sprachen von Griechenland; dies war ein Gegenstand, über den Ione lieber sprechen hörte, als selbst sprach und der der Beredsamkeit des Griechen ein unerschöpfliches Feld bot. Er beschrieb ihr die Silberhaine, welche die Ufer des Ilissus noch schmückten, und die ihrer Herrlichkeit schon halb beraubten Tempel, die sogar in ihrem Zerfall noch immer so schön waren. Von der Höhe jener fernen Erinnerung, in welcher alle die rauheren und dunkleren Schatten in Licht verschwammen,

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