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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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gerne zu meinen Nebenmenschen hingezogen; aber dieser geheimnisvolle Egypter mit seiner trüben Stimme und seinem frostigen Lächeln scheint mir die Sonne selbst zu verdüstern. Man sollte meinen, er habe, wie der Kretenser Epimenides, vierzig Jahre in einer Höhle zugebracht und sich seitdem nicht wieder mit dem Tageslichte befreunden können.«
    »Indessen is er, wie Epimenides, gut, weiße und wohlwollend,« versetzte Ione.
    »Wie glücklich ist er, daß Du ihn lobst! Er bedarf keiner andern Tugenden, um mir theuer zu sein.«
    »Seine Ruhe, seine Kälte,« sagte Ione, indem sie ausweichend fortfuhr, »sind vielleicht nur die Folge früherer Leiden, wie der Berg da« (und dabei deutete sie nach dem Vesuv), »den wir jetzt dunkel und ruhig in der Ferne schauen, einst Feuer nährte, die jetzt für immer verloschen sind.«
    Als Ione diese Worte sprach, blickten beide nach dem Vesuv hin; der übrige Himmel war in zarte und rosige Farben gebadet, über jenem grauen Gipfel, aber der aus Wäldern und Weingärten, die damals bis zur halben Höhe des Berges reichten, emporragte, hing eine schwarze, unglückverkündende Wolke, das einzige düstere Bild in der Landschaft. Eine plötzliche und unerklärliche Schwermuth bemächtigte sich der beiden jungen Wesen, und in jener Sympathie, welche die Liebe sie bereits gelehrt hatte, und die ihnen bei der leisesten Gemüthsbewegung, bei der geringsten Ahnung eines Unglücks sagte, daß sie sich gegenseitig die sicherste Zufluchtsstätte seien, wandten sich ihrer Blicke in demselben Momente von dem Berge ab und begegneten sich voll unaussprechlicher Zärtlichkeit.
    Was bedurfte es bei ihnen der Worte, um sich zu sagen, daß sie sich liebten?

Sechstes Kapitel.
Der Vogelfänger fängt den kaum entwischten Vogel zum zweitenmal und legt seine Schlingen für ein neues Opfer.
    In meiner Geschichte drängen und folgen sich die Ereignisse so schnell wie in einem Drama. Ich beschreibe eine Zeit, wo die Tage hinreichten, um das zu reifen, was sonst nur die Frucht von Jahren ist. Arbaces hatte seit einiger Zeit das Haus Ione's wenig besucht, und wenn er zufällig hinkam, den Glaukus nie getroffen; daher wußte er von der Liebe, die so plötzlich zwischen ihm und seinen Entwürfen aufgeschossen war, nichts. Sein Plan auf den Bruder Ione's hatte ihn genötigt, seine Pläne auf Ione selbst eine Zeitlang aufzuschieben. Sein Stolz und Egoismus wurden durch den plötzlichen Wechsel, der in dem Sinne des Jünglings eingetreten war, aufgeweckt und beunruhigt; er fürchtete, daß er selbst einen gelehrigen Schüler und Isis einen begeisterten Anhänger verlieren könne. Apäcides besuchte und befragte ihn nicht mehr; man traf den jungen Mann selten; er wandte sich finster von dem Ägypter ab und floh ihn sogar, wenn er ihn in der Ferne sah. Arbaces, der einer jener stolzen und gewaltigen Geister war, welche über Andere zu herrschen gewöhnt sind; er ärgerte sich bei dem Gedanken, daß Einer, der einst ihm gehörte, sich von ihm losmachen könne und schwur bei sich selbst, daß ihm Apäcides nicht entwischen solle. Mit diesem Entschlusse beschäftigt, durchwandelte er ein dunkles, dichtes Wäldchen, das inmitten der Stadt zwischen seiner und Ione's Wohnung lag, zu der er sich begab. Hier traf er unvermuthet den jungen Isispriester mit zur Erde gesenktem Blicke an einen Baum gelehnt.
    »Apäcides,« sagte er, die Hand vertraulich auf die Schulter des jungen Mannes legend.
    Der Priester schauderte zusammen und schien instinktmäßig fliehen zu wollen.
    »Mein Sohn,« sagte der Egypter, »was ist vorgefallen, daß Du meine Gegenwart zu meiden suchst?«
    Apäcides blieb still und finster; seine Augen waren zur Erde geheftet, seine Lippen zitterten und seine Brust hob sich schwer.
    »Sprich zu mir, mein Freund,« fuhr der Egypter fort, »sprich! Dein Geist ist durch irgend etwas niedergedrückt; was hast Du mir anzuvertrauen?«
    »Dir – Nichts!«
    »Warum hast Du zu mir so wenig Vertrauen?«
    »Weil Du Dich als meinen Feind bewiesen hast.«
    »Laß uns sprechen,« sagte Arbaces mit leiser Stimme, legte des Priesters widerstrebenden Arm in den seinigen und führte ihn zu einer der in dem Wäldchen stehenden Bänke. Sie setzten sich nieder, und ihre düstern Gestalten paßten trefflich zu der schattigen Einsamkeit des Ortes.
    Apäcides stand im Lenze seiner Jahre, und doch schien er das Leben mehr erschöpft zu haben als der Ägypter. Seine zarten und regelmäßigen Gesichtszüge waren saft- und farblos;

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