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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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seine hohlen Augen funkelten von blendendem, fieberhaftem Glanze; sein Körper beugte sich vor der Zeit, und an seinen bis zur Weiblichkeit kleinen Händen zeigten blaue und angeschwollene Adern die Ermattung und Schwäche seiner Fibern an. Man fand in seinem Gesichte eine auffallende Ähnlichkeit mit Ione; aber der Ausdruck war sehr verschieden von jener majestätischen und geistigen Stille, welche der Schönheit seiner Schwester eine so klassische, ja göttliche Ruhe verlieh. Auch bei ihr war der Enthusiasmus sichtbar, aber immer beherrscht und gezügelt, und dies gerade verlieh ihrem Gesichte so hohen Reiz und Ausdruck; man fühlte sich lebhaft versucht, einen Geist zu wecken, der nur unter der Asche ruhte, aber offenbar nicht schlief. Bei Apäcides dagegen offenbarte sein ganzes Äußeres die Glut und Leidenschaft seines Temperaments, während nach dem wilden Feuer seiner Augen, nach der im Vergleiche mit der Stirnhöhe übermäßigen Breite seiner Schläfe und nach dem beständigen Zittern seiner Lippen zu schließen, das denkende Element seiner Natur von dem imaginativen und idealen Elemente beherrscht und tyrannisirt zu werden schien. Bei der Schwester war die Einbildungskraft an der goldenen Schranke der Poesie stehen geblieben, bei dem weniger glücklichen und weniger gezügelten Bruder hingegen in unberührbare, körperlose Regionen hinübergewandert, so daß dieselben Eigenschaften, die dem einen der beiden Wesen Genie verliehen, das andere mit Wahnsinn bedrohten.
    »Du sagst, ich hätte mich als Deinen Feind bewiesen,« redete ihn Arbaces an. »Ich kenne den Grund dieser ungerechten Beschuldigung. Ich habe Dich unter die Priester der Isis gebracht; ihre Kunstgriffe und Täuschungen empören Dich – Du meinst, auch ich habe Dich hintergangen, getäuscht – die Reinheit Deines Gemüthes fühlt sich verletzt – Du glaubst, ich sei ein Betrüger.«
    »Du kanntest das Gaukelspiel dieser gottlosen Kaste, warum hast Du mir ein Geheimnis daraus gemacht? Als Du in mir das Verlangen anfachtest, mich dem Stande zu widmen, dessen Kleid ich trage, sprachst Du mir von dem heiligen Leben von Männern, die sich ausschließlich der Wissenschaft widmen, und Du hast mich einer unwissenden und sinnlichen Heerde beigesellt, die von nichts als von den plumpesten Betrügereien wissen! Du sprachst mir von Menschen, die alle weltlichen Vergnügungen dem erhabenen Dienste der Tugend aufopfern, und Du hast mich unter Männer gebracht, denen die entehrenden Laster zur zweiten Natur geworden sind; Du sprachst mir von Freunden, von Aufklärern des Menschengeschlechts, und ich sehe in ihnen nur seine Betrüger! Oh! Dein Betragen ist schändlich! – Du hast mir die Glorie der Jugend, den Glauben an die Tugend, den heiligen Durst nach Weisheit geraubt! Jung, reich, glühend, mit all den sonnigen Genüssen der Erde vor mir, entsage ich Allem ohne einen Seufzer, ja sogar glücklich und entzückt in dem Gedanken, sie hinzugeben gegen die Geheimnisse der göttlichen Weisheit, die Gemeinschaft der Götter, die Offenbarungen des Himmels – Und jetzt ... jetzt ...«
    Convulsivisches Schluchzen erstickte des Priesters Stimme; er bedeckte sein Gesicht mit den Händen, und durch seine abgezehrten Finger brachen sich große Thränen und rollten reichlich auf sein Kleid herab.
    »Mein Versprechen, mein Freund und Zögling, will ich Dir halten; alles Bisherige war bloß eine Prüfung Deiner Tugend, die aus diesem Noviziate nur mit neuem Glanze heraustritt; denke nicht mehr an jene unverständigen Betrügereien, habe keine Gemeinschaft mehr mit diesen Sklaven der Göttin, die nur die Atrienses ihrer Halle sind; Du bist würdig, in das Allerheiligste einzutreten. Künftig will ich Dein Priester, Dein Führer sein, und Du, der Du jetzt meine Freundschaft verfluchst, wirst sie noch segnen müssen.«
    Der junge Mann erhob seinen Kopf und starrte dem Egypter mit irrem und verwundertem Blicke an.
    »Höre mich,« fuhr Arbaces, nachdem er forschend herumgespäht, ob sie auch allein seien, mit ernster und feierlicher Stimme fort: »Von Egypten kam alle Weisheit der Welt; von Egypten das Wissen Athens und die tiefe Politik Kreta's; von Egypten kamen jene frühen, geheimnisvollen Stämme, die lange, ehe die Herden des Romulus die Ebenen Italiens überzogen und in dem ewigen Kreislauf der Ereignisse die Civilisation in Barbarei und Finsternis zurückstießen, alle Künste der Weisheit und alle Anmuth geistigen Lebens besaßen; aus Egypten kamen die Größe

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