Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
Vom Netzwerk:
Zeit, meine Operationen auf ihre Einbildungskraft und auf ihr Herz zu beginnen; im ersten Falle, um die Quelle der Liebe auf mich zu lenken, in dem zweiten, um sie zu erwecken, und deshalb habe ich Dich aufgesucht.«
    »Und in wie fern kann ich Dir beistehen?«
    »Ich bin im Begriff, sie zu einem Feste in meinem Hause einzuladen. Ich wünsche ihre Sinne zu blenden, aufzuregen und zu entflammen. Unsere Künste – die Künste, durch die Egypten seine Novizen bildete, müssen angewendet werden, und unter dem Schleier der Mysterien der Religion will ich ihr die Geheimnisse der Liebe enthüllen.«
    »Ach! jetzt verstehe ich. Eines jener üppigen Bankette, an denen wir Isispriester, trotz unserer abgeschmackten Gelübde strengster Enthaltsamkeit, in Deiner Wohnung schon Antheil nahmen.«
    »Nein, nein! Denkst Du, ihre keuschen Blicke seien für solche Scenen reif? Nein ... doch, wir müssen mit der Verführung des Bruders beginnen ... Eine leichtere Aufgabe! Vernehme denn meine Anweisungen.«

Fünftes Kapitel.
Noch etwas von dem Blumenmädchen – Fortschritte der Liebe.
    Die Strahlen der Sonne fielen glänzend in jenes schöne Zimmer im Hause des Glaukus, das, wie ich bereits bemerkte, jetzt das » Zimmer der Leda « genannt wird. Die Morgensonne drang durch eine Reihe kleiner, im obern Theile des Zimmers angebrachte Fenster und durch die Thüre, die in den Garten führte, der für die Bewohner der Städte des Südens dasselbe war, was bei uns ein Gewächs- oder Treibhaus ist. Die geringe Ausdehnung dieses Gartens machte ihn zum Spazierengehen nicht geeignet, aber die mannigfaltigen, wohlriechenden Pflanzen, von denen er voll war, verliehen dem bei den Bewohnern eines warmen Klima's so beliebten Nichtsthun eine wollüstige Empfindung. Und gerade jetzt verbreiteten sich die durch ein leichtes Lüftchen vom nahen Meere hergefächelten Düfte über das Zimmer, dessen Wände mit den reichen Farben der glühendsten Blumen wetteiferten. Neben den Hauptstücken, dem Gemälde von Leda und Tyndareus, waren mitten in jedem Wandfelde andere Malereien von großer Schönheit angebracht. Auf dem einen sah man Kupido, wie er auf den Knieen der Venus schaukelt; auf einem zweiten Ariadne, am Ufer schlafend, noch unbekannt mit der Treulosigkeit des Theseus. Wenn aber schon die Sonnenstrahlen lustig auf dem mit Mosaik ausgelegten Fußboden und an den glänzenden Wänden spielten, so drangen doch die Freudenstrahlen noch heiterer zum Herzen des jungen Glaukus.
    »Ich habe sie also gesehen!« sagte er, in dem er in diesem kleinen Zimmer auf und ab ging; »ich habe sie gehört, ich habe wieder mit ihr gesprochen, der Musik ihres Gesanges zugelauscht und sie sang von Ruhm und von Griechenland! Ich habe das lang gesuchte Ideal aller meiner Träume entdeckt, und wie der cyprische Bildhauer, habe ich dem Geschöpfe meiner Einbildungskraft Leben eingehaucht.«
    Das verliebte Selbstgespräch des Glaukus hätte vielleicht noch länger fortgedauert, hätte nicht in diesem Augenblicke ein Schatten die Schwelle des Zimmers verdunkelt, und ein junges, kaum der Kindheit entwachsenes Mädchen, seine Einsamkeit unterbrochen. Sie trug ganz einfach eine weiße Tunika, die vom Nacken bis auf die Knöchel hinabfiel, in ihrem Arme ein Blumenkörbchen und in der andern Hand ein bronzenes Wassergefäß. Ihre Gesichtszüge waren ausgebildeter, als eigentlich ihr Alter erwarten ließ, übrigens voll Sanftmuth und Zartheit, und ohne gerade an sich schön zu sein, wurden sie es doch durch die Schönheit ihres Ausdruckes. In ihrem Aussehen lag etwas, man möchte sagen Geduldiges, unaussprechlich Mildes; ein Zug von resignirter Trauer, von ruhigem Dulden hatte das Lächeln von ihren Lippen verbannt, nicht aber die Anmuth; eine gewisse Schüchternheit und Vorsicht in ihrem Gange, etwas Unstätes in den Augen ließen das Unglück errathen, unter dem sie seit ihrer Geburt seufzte; sie war blind. Indessen hatten ihre Augensterne keinen sichtbaren Fehler; ihr wehmüthiges und schwaches Licht war klar, wolkenlos und heiter.
    »Man hat mir gesagt, Glaukus sei hier,« sprach sie; »darf ich eintreten?«
    »Ah! meine Nydia,« antwortete der Grieche, »bist Du es? Ich wußte wohl, daß Du meine Einladung nicht vernachlässigen würdest.«
    »Glaukus erwies sich nur gegen sich selbst gerecht,« antwortete Nydia erröthend, »denn er war gegen das arme, blinde Mädchen immer sehr gütig.«
    »Wer sollte es denn nicht sein?« sagte Glaukus zärtlich, im Tone eines mitfühlenden

Weitere Kostenlose Bücher