Die letzten Tage von Pompeji
und dies hat mir geoffenbart ... Doch genug davon! Jetzt zu fröhlicheren und lockenderen Gegenständen. Wenn ich also bei Apäcides meinem Zwecke nachkam, was waren dann meine Absichten bei hinsichtlich der Ione? Du weißt schon, daß ich sie zu meiner Königin, meiner Braut, zur Isis meines Herzens bestimmte. Nie, bevor ich sie sah, wußte ich, wie großer Liebe meine Natur fähig ist.«
»Von tausend Lippen höre ich, sie sei eine zweite Helena,« sagte Kalenus, indem er mit den Lippen schmatzte; ob aber dieses Schmatzen sich auf den genossenen Wein oder auf den ausgesprochenen Gedanken bezog, ist schwer zu entscheiden.
»Ja, sie ist von einer Schönheit, die Griechenland selbst nie übertraf,« fuhr Arbaces fort; »aber dies ist noch nicht Alles; ihre Seele ist würdig, sich mit der meinigen zu vermählen. Ihr Geist übertrifft den eines Weibes – is scharf, blendend, kühn. Die Poesie schwebt unwillkürlich über ihre Lippen; sprich eine auch noch so verwickelte und tiefe Wahrheit aus, so erfaßt und beherrscht sie ihren Verstand. Ihre Einbildungskraft und Vernunft sind nie im Widerspruche mit einander; sie harmoniren und leiten sie wie die Winde und Wogen ein hohes Schiff leiten. Hiemit vereinigt sie eine kühne Unabhängigkeit der Gedanken; sie bedarf keiner Stütze in der Welt und kann eben so muthvoll sein als sanft. Dies ist die Natur, die ich mein ganzes Leben hindurch beim Weibe suchte und jetzt erst fand. Ione muß die Meinige werden, ich empfinde eine doppelte Leidenschaft für sie; ich wünsche in ihr eine Schönheit des Geistes wie des Körpers zu besitzen.«
»Sie ist also noch nicht die Deinige?« fragte der Priester.
»Nein, sie liebt mich, aber nur als Freund, und nur mit ihrem Geiste. Sie glaubt bei mir jene untergeordneten Tugenden zu finden, die ich aus höherer Tugend verachte. Aber laß mich in meiner Erzählung fortfahren. Bruder und Schwester waren jung und reich; Ione ist stolz und ehrgeizig; stolz auf ihren Geist, auf den Zauber ihrer Poesie und die Reize ihrer Unterhaltung. Als ihr Bruder mich verließ, um in Euren Tempel einzutreten, kam auch sie nach Pompeji, um ihm näher zu sein. Sie hatte ihre Talente bekannt werden lassen; Alles strömt zu den Festen, die sie gibt; ihre Stimme bezaubert die Gäste und ihre Poesie überwältigt sie. Sie findet eine Freude darin, für die Nachfolgerin der Korinna zu gelten.«
»Oder der Sappho?«
»Aber einer Sappho ohne Liebe! Ich habe sie ermuthigt in dieser kühnen Laufbahn – in diesem Schwelgen in Eitelkeit und Vergnügen; ich sah es gerne, wenn sie sich der Zerstreuung und dem Luxus dieser verdorbenen Stadt überließ. Denn wisse, Kalenus, ich wünschte ihren Geist zu entnerven; er war zu rein geblieben, um den Hauch anzunehmen, der den krystallenen Spiegel nicht bloß berühren, sondern durch's Feuer hinein geätzt werden sollte. Ich wünschte sie von hohlen und lüsternen Liebhabern, die ihre Natur verachten mußte, umschwärmt zu sehen, um ihr das Bedürfnis der Liebe fühlbar zu machen. In jenen ruhigen Augenblicken der Leere, die auf die Aufregung folgen, kann ich meine Zaubernetze weben, ihre Theilnahme erregen, ihre Leidenschaft auf mich ziehen und mich ihres Herzens bemächtigen; denn nicht der Junge, der Schöne, der Muntere allein ist es, der Ione zu fesseln vermöchte; man muß sich ihrer Einbildungskraft bemeistern, und das ganze Leben des Arbaces war ja nur ein Triumph über die Einbildungskraft seiner Mitmenschen.«
»Fürchtest Du denn Deine Nebenbuhler gar nicht? Die Liebhaber in Italien sind in der Kunst, zu gefallen, sehr erfahren.«
»Durchaus nicht! Ihre griechische Seele verachtet die barbarischen Römer und würde sich selbst verachten, wenn sie nur einen Gedanken von Liebe zu Einem aus diesem Geschlechte zuließe.«
»Aber Du bist ein Egypter und kein Grieche!«
»Egypten,« erwiderte Arbaces, »ist Athens Mutter; Minverva, Athens Schützerin, ist auch unsere Göttin, und sein Gründer, Cekrops, war ein Flüchtling aus dem egyptischen Sais. Dies habe ich Ihnen bereits mitgetheilt, und sie verehrt in meinem Blute die älteste Dynastie der Erde. Indessen gestehe ich doch, daß seit einiger Zeit ein beunruhigender Verdacht in meiner Seele aufgetaucht ist. Sie ist verschlossener als gewöhnlich, liebt traurige und schmachtende Musik, und seufzt ohne irgend einen äußeren Grund. Dies kann entweder der Beweis von einer entstehenden Liebe oder von dem Bedürfnisse nach Liebe sein. In beiden Fällen ist es für mich
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