Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
Vom Netzwerk:
und die gottesdienstlichen Gebräuche der heiligen Stadt Cäre, deren Einwohner ihre eisernen, römischen Besitzer Alles das lehrten, was diese bis jetzt von Erhabenem in der Religion, von Feierlichem im Gottesdienste wissen. Und wodurch glaubst Du, junger Mann, daß dieses ehrwürdige Egypten, die Mutter zahlloser Nationen, seine Größe erlangt und sich auf den Gipfel der Weisheit geschwungen habe? Nur durch seine tiefe und heilige Politik. Die neueren Nationen verdanken ihre Größe Egypten, und dieses die seinige seinen Priestern. Zu sich selbst zurückgezogen und von dem Wunsche beseelt, über den edleren Theil des Menschen, über seine Seele und seinen Glauben zu herrschen, waren diese alten Diener der Gottheit von dem erhabensten Gedanken begeistert, der je Sterblichen in den Kopf gekommen ist. Den Veränderungen der Gestirne, den Jahreszeiten der Erde, dem ewigen Kreislaufe menschlicher Geschicke entnahmen sie eine höhere Allegorie. Diese machten sie durch Zeichen von Göttern und Göttinnen dem Volke deutlich und handgreiflich, und was in Wirklichkeit nur Regierung war, nannten sie Religion . Isis ist eine Fabel – erschrick nicht – das, wovon Isis ein Sinnbild ist, ist in der Wirklichkeit vorhanden, ist ein unsterbliches Wesen. Isis ist Nichts; die Natur, deren Abbild sie ist, ist die Mutter aller Dinge – dunkel, uralt, unerforschlich, außer für wenige Auserwählte. – ›Nie hat ein Sterblicher meinen Schleier gelüftet!‹ – So spricht die von Dir angebetete Isis; aber für den Weisen ist dieser Schleier hinweggenommen und wir haben die festliche Pracht der Natur von Angesicht zu Angesicht geschaut. Die Priester waren die Wohlthäter, die Erzieher des Menschengeschlechts; sie waren übrigens auch, wenn Du willst, Betrüger. Aber glaubst Du, junger Mann, sie hätten ihren Mitmenschen nützlich werden können, wenn sie sie nicht getäuscht hätten? Die unwissende und knechtische Menge muß zu ihrem eigenen Wohle geblendet werden; eine Grundwahrheit würde sie nicht glauben, aber ein Orakel betet sie an. Der römische Kaiser beherrscht eine Menge verschiedener Nationen, und weiß unter diesen streitenden und getrennten Elementen eine Einheit herzustellen; hoher Friede, Ordnung, Gesetzlichkeit, die Segnungen des Lebens. Glaubst Du, es sei der Mensch, der Kaiser, der so regierte? – Nein, es ist die Pracht, die Ehrfurcht, die Majestät, die ihn umgeben; dies sind seine Täuschungen, seine Blendwerke. Unsere Orakel und Prophezeihungen, unsere Gebräuche und Ceremonien sind die Mittel unserer Oberherrschaft und die Hebel unserer Macht. Es sind dieselben Mittel zu demselben Zwecke – zum Glücke und zur Eintracht der Menschen. Du hörst mir mit Aufmerksamkeit und Entzücken zu; das Licht beginnt Dir zu tagen.«
    Apäcides schwieg stille, aber die rasch wechselnden Gefühle, die sich auf seinem belebten Gesichte abmalten, ließen den Eindruck bemerken, den die Worte des Egypters auf ihn machten – Worte, die durch die Stimme, das Wesen und Benehmen des Redners noch zehnfach beredter wurden.
    »Während nun,« hub Arbaces von Neuem an, »unsere Vorfahren am Nil die ersten Elemente, durch welche das Chaos zerstört wurde, nämlich den Gehorsam und die Achtung der Menge gegen Wenige, vollständig ins Dasein riefen, zogen sie aus ihren erhabenen und himmlischen Betrachtungen jene Weisheit, die keine Täuschung war; sie erfanden die Gesetzbücher und Vorschriften, die Künste und Verherrlichungen des gesellschaftlichen Lebens. Sie forderten Glauben und lohnten mit Civilisation. War also nicht sogar ihr Betrug Tugend? Glaube mir, wer immer von göttlicherer, wohlthätigerer Natur aus jenen fernen Himmeln auf unser Welt herabschaut, wird der Weisheit, die ein so großes Ziel zu erreichen wußte, Beifall zulächeln. Aber Du wünschest, daß ich diese allgemeinen Sätze auf Deine eigene Person anwende und ich beeile mich, Deinem Wunsche zu genügen. Die Altäre der Göttin unseres alten Glaubens müssen Diener haben und auch in den Personen jener einfältigen und seelenlosen Geschöpfe, die gewissermaßen nur Pflöcke und Haken sind, woran man Kleid und Binde aufhängt. Erinnere Dich zweier Sätze des Pythagoräers Sextus, die der egyptischen Lehre entlehnt sind. Der erste heißt: ›Sprich nicht von Gott zu der Menge;‹ der zweite: ›der Mensch, der Gottes würdig ist, ist ein Gott unter Menschen.‹ Wie die geistige Kraft den Priestern Egyptens die Herrschaft verlieh, so kann diese seit einiger Zeit so

Weitere Kostenlose Bücher