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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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»Die Zeilen erklären vielleicht, warum Derjenige, der mich gesandt, eine so unwürdige Botin für Ione auserwählte.«
    Die Griechin ergriff den Brief mit einer Hand, deren Zittern Nydia fühlte; dieses Gefühl entlockte der armen Sklavin sofort einen Seufzer. Mit übereinandergelegten Armen und niedergeschlagenen Blicken stund sie vor der stolzen und stattlichen Ione; – nicht minder stolz vielleicht in ihrer unterwürfigen Haltung. Ione winkte mit ihrer Hand und die Dienerinnen entfernten sich; noch einmal blickte sie in Verwunderung und schöner Theilnahme auf die junge Sklavin, trat sodann etwas von ihr zurück, eröffnete und las folgenden Brief:
    »Glaukus sendet der Ione mehr, als er zu äußern wagt. Ist Ione unwohl? Deine Sklavinnen sagen mir nein, und diese Versicherung tröstet mich. Hat Glaukus Ione beleidigt? Ach, diese Frage mag ich nicht an die Sklavinnen richten. Seit fünf Tagen bin ich aus Deiner Gegenwart verbannt. Hat die Sonne geschienen? – Ich weiß es nicht; hat der Himmel gelächelt? – Für mich hat er kein Lächeln. Meine Sonne und mein Himmel sind ferne. Beleidige ich Dich? Bin ich zu kühn? Spreche ich das auf dem Schreibtäfelchen aus, was meine Zunge nicht zu äußern wagte? Ach, gerade in Deiner Abwesenheit fühle ich erst ganz den Zauber, durch den Du mich überwunden hast. Diese Abwesenheit jedoch, die mich der Freude beraubt, gibt mir Muth. Du willst mich nicht sehen, und hast auch die gemeinen Schmeichler verbannt, die Dich umlagern. Aber kannst Du mich mit ihnen vermengen? Es ist nicht möglich! Du weißt zu gut, daß ich nicht zu ihnen gehöre – daß ich von anderem Stoffe bin, als sie. Denn selbst wenn ich von dem niedrigsten Schlage wäre, so hat mich der Duft der Rose durchdrungen, und der Geist Deines Wesens ist in das meinige übergegangen, um es zu durchduften, zu heiligen, zu begeistern. Hat man mich bei Dir verleumdet, Ione? Du wirst es nicht glauben. Sagte mir das delphische Orakel selbst, Du seiest unwürdig, so würde ich ihm nicht glauben: und ich bin weniger ungläubig als Du? Ich denke an unser letztes Beisamemnsein – an das Lied, das ich Dir sang – an den Blick, mit dem Du mir darauf antwortetest. Verberge es, wie Du willst, Ione, es herrscht eine gewisse Verwandtschaft zwischen uns, und unsre Augen gestunden es, obwohl unsre Lippen schwiegen. Habe doch die Huld, mich zu sehen, mich anzuhören, und dann verbanne mich, wenn Du es willst. Ich gedachte nicht, so frühe es auszusprechen, daß ich liebe, aber diese Worte stürzen sich in mein Herz herein – sie wollen einen Ausweg haben. Empfange daher meine Huldigung und mein Gelübde. Wir trafen uns zuerst an dem Altare der Pallas; sollten wir nicht an einem älteren und milderen Altare zusammentreffen?
    «Schöne angebetete Ione! wenn meine heiße Jugend und mein athenisches Blut mich irre leiteten und verlockten, so haben diese Irrwege mich nur gelehrt, die Ruhe, den Hafen, den ich nunmehr erreichte, zu würdigen. Ich hänge meine triefenden Kleider an dem Altare des Meergottes auf. Ich bin dem Schiffbruch entgangen; ich habe Dich gefunden. Ione, gestatte mir huldvoll den Zutritt; Du bist gütig gegen Fremdlinge, willst Du grausamer gegen Deine eigenen Landsleute sein? Ich erwarte Deine Antwort. Empfange die Blumen, die ich sende – ihr süßer Odem hat eine beredtere Sprache, als die der Worte. Die Düfte, die sie aushauchen, ziehen sie aus der Sonne; sie sind das Sinnbild der Liebe, die empfängt und zehnfach vergilt – das Sinnbild des Herzens, das Deine Strahlen einsog, und Dir den Keim zu jenen Schätzen verdankt, die es Deinem Lächeln darbringt. Ich sende Dir diese Blumen durch eine Botin, die Du, wenn nicht um meinetwillen, doch um ihretwillen aufnehmen wirst. Sie ist gleich uns eine Fremde; ihrer Väter Asche ruht unter einem freundlicherem Himmel; aber weniger glücklich als wir, ist sie blind und eine Sklavin. Arme Nydia! indem ich um die Erlaubnis bitte, sie in Deine Nähe zu bringen, suche ich die Grausamkeit der Natur und des Geschickes gegen sie so viel als möglich gut zu machen. Sie ist sanft, behende und gelehrig, in Musik und Gesang geübt, und für die Blumen eine wahre Chloris[Die griechische Flora] . Sie hofft, Ione, Du werdest sie lieb gewinnen; wo nicht, so schicke sie mir zurück.
    »Noch ein Wort – laß mich kühn sein, Ione. Warum denkst Du so hoch von jenem dunkeln Egypter? Er hat durchaus nicht das Wesen eines redlichen Mannes an sich. Wir Griechen lernen die Menschen von

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