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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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unsrer Wiege an kennen; wir sind nicht weniger tief, wenn wir auch keine höhere Miene annehmen; unsre Lippen lächeln, aber unsre Augen sind ernst – sie beobachten – merken – studiren. Arbaces ist nicht der Mann, dem man so unbedingt trauen darf; könnte es der Fall sein, daß er mich bei Dir verleumdet hat? Ich glaube es, denn ich ließ ihn bei Dir zurück; Du sahst, wie sehr ihm meine Gegenwart zuwider war, und seit der Zeit hast Du mich nicht wieder vorgelassen. Glaube nichts, was er etwa zu meinem Nachtheile sagt; wenn Du es aber glaubst, so sage es mir ohne Weiteres, denn dies ist Ione dem Glaukus schuldig. Lebe wohl! Diesen Brief berührt Deine Hand; diese Buchstaben begegnen Deinem Auge – sollen sie glücklicher sein, als ihr Urheber? Noch einmal, lebe wohl!«
    Während Ione diesen Brief las, war ihr, als ob ein Nebel vor ihren Augen verschwinde. Was war die vermeintliche Beleidigung des Glaukus gewesen? – daß er sie nicht in der That liebte! Und jetzt gestund er gerade heraus und in unzweideutigen Ausdrücken seine Liebe. Von diesem Augenblicke an, war seine Macht über sie wieder vollkommen hergestellt. Bei jedem zärtlichen Worte in diesem von poetischer und vertrauungsvoller Leidenschaft glühenden Briefe machte ihr Herz ihr Vorwürfe. Hatte sie nicht an seiner Treue gezweifelt und einem Andern geglaubt? Hatte sie ihm denn auch nur das Recht des Verbrechers zugestanden, sein Verbrechen zu erfahren, zu seiner Vertheidigung zu sprechen? – Thränen rollten ihr die Wangen herab – sie küßte den Brief, steckte ihn in ihren Busen und wandte sich zu Nydia, die noch an demselben Platze und in derselben Stellung da stund, mit den Worten: »Willst Du nicht sitzen, mein Kind, während ich eine Antwort auf diesen Brief schreibe?«
    »Du willst ihn also beantworten?« sagte Nydia kalt.
    »Gut; der Sklave, der mich begleitete, wird Deine Antwort zurücknehmen.«
    »Was Dich anbelangt,« sprach Ione, »so bleibe bei mir – glaube mir, Dein Dienst soll leicht sein.«
    Nydia neigte das Haupt.
    »Wie heißt Du, schönes Mädchen?«
    »Sie nennen mich Nydia.«
    »Deine Heimath?«
    »Das Land des Olympus – Thessalien.«
    »Du sollst mir eine Freundin sein,« sagte Ione liebkosend, »wie Du mir eine halbe Landsmännin bist. Einstweilen bitte ich Dich, bleibe nicht länger auf diesem kalten und glatten Marmor stehen – Jetzt, da Du sitzest, kann ich Dich für einen Augenblick verlassen.«
    Sie schrieb nun folgendes:
    »Ione grüßt den Glaukus – komm zu mir, Glaukus, komm morgen zu mir; – ich mag ungerecht gegen Dich gewesen sein, aber ich will Dir wenigstens den Fehler sagen, der Dir zur Last gelegt wurde. – Fürchte hinfort den Egypter nicht mehr – fürchte Niemand. Du sagst, Du habest zu viel ausgedrückt – ach, in diesen hastig niedergeschriebenen Worten habe ich bereits dasselbe gethan. – Lebe wohl!«
    Als Ione mit dem Brief wieder erschien, den sie, nachdem sie ihn geschrieben hatte, nicht zu überlassen wagte – (Raschheit und Ängstlichkeit, wie eigenthümlich seid ihr der Liebe!) fuhr Nydia von ihrem Sitze auf.
    »Du hast an Glaukus geschrieben?«
    »Ja.«
    »Und wird er dem Boten danken, der ihm Deinen Brief bringt?«
    Ione vergaß, daß Nydia blind war; sie erröthete von der Stirne bis an den Nacken, und blieb still.
    »Ich meine nämlich,« fügte Nydia in ruhigem Tone hinzu, »das leichteste unfreundliche Wörtchen von Dir würde ihn betrüben – die kleinste Freundlichkeit erfreuen. Ist ihm das Erstere beschieden, so lasse den Sklaven Deine Antwort zurückbringen; enthält er aber das Letztere, so laß mich die Botin sein – ich will diesen Abend zurückkehren.«
    »Und warum, Nydia,« fragte Ione ausweichend, »möchtest Du meinen Brief überbringen?«
    »Ist ihm also Freundliches zugedacht!« sagte Nydia. »Ach, wie wäre es denn auch anders möglich; wer könnte unfreundlich gegen Glaukus sein!«
    »Mein Kind,« entgegnete Ione etwas zurückhaltender, als zuvor, »Du sprichst mit Wärme – Glaukus ist also liebenswürdig in Deinen Augen?«
    »Edle Ione! Glaukus ist mir geworden, was mir weder das Geschick, noch die Götter gewesen – ein Freund.«
    Die mit Würde gepaarte Wehmuth, mit welcher Nydia diese einfachen Worte sprach, ergriff die schöne Ione; sie neigte sich herab und küßte die Blinde. »Du bist dankbar und mit Recht; warum sollte ich erröthen, zu sagen, daß Glaukus Deiner Dankbarkeit würdig ist? Geh, meine Nydia, – überbring ihm selbst diesen Brief –

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