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Die letzten Worte des Wolfs

Die letzten Worte des Wolfs

Titel: Die letzten Worte des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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schoß, mußte es dafür einen Grund geben.
    Er ließ den Bewußtlosen halbverpackt liegen und schlüpfte in den Schatten der Mittschiffshütte zurück. Vorsichtig lugte er um die Ecke. Dort tauchte das schweißglänzende Gesicht eines korpulenten Wächters auf, der sich umschaute und seinen verschwundenen Kumpanen suchte. Er schien unschlüssig, ob er Alarm schreien sollte oder leise den Namen seines Freundes rufen. Seine Lippen bewegten sich angespannt.
    Allzu lange durfte Bestar nicht zögern. Wenn er jetzt erst die Hütte umrundete, um dem Gegner in den Rücken zu fallen, konnte dieser bis dahin schon Alarm gegeben haben. Aber Bestar mußte erst um die Ecke herum und dann noch zwei Schritte machen. Viel zu weit, viel zu langwierig.
    Erschieß ihn, Hellas, flehte er in Gedanken. Ich komme nicht an ihn ran! Doch Hellas schoß nicht. Wahrscheinlich hielt Rodraeg ihn zurück.
    Rodraeg baute ganz allein auf Bestar Meckin aus Taggaran.
    Rodraeg wollte kein Blutvergießen.
    Aber es ging jetzt nicht anders. Es mußte schnell gehen!
    Bestar zog lautlos sein Schwert zwischen Lederband und Schenkelhaut hervor. Dann wirbelte er in einer Art Pirouette um die Hüttenecke und schlug mit dem Schwert beidhändig zu. Der Kopf des Wächters löste sich vom Rumpf und kippte mit dem Ausdruck eines Schreis im Gesicht nach hinten über die Reling ins Wasser. Bestar fing den zusammensackenden und Blut versprühenden Leib ab, der Säbel jedoch dengelte auf die Planken. Bestar richtete sich auf und wartete ab. Wenn noch ein fünfter Wächter auf Deck war, würde dieser jetzt reagieren und sich dadurch verraten. Wenn die Kartenspieler von unten heraufkamen, würden sie sterben. Alles war jetzt wieder ganz unkompliziert.
    Â»Oh, hoppla«, lachte Hellas auf. »Das war eindeutig.« Er bestrich mit seiner Pfeilspitze das gesamte Deck der Aglaeca, ob sich irgendwo ein weiterer Wächter zeigte, aber alles blieb ruhig.
    Â»Was ist passiert?« fragte Rodraeg, der unruhig zum Schiff hinstarrte.
    Â»Bestar hat ihm den Kopf abgeschlagen«, berichtete Hellas. »Richtig so. Mit deiner abstrakten Friedfertigkeit kann man die Welt nicht retten.«
    Â»Ich habe gar nicht die Absicht, die Welt zu retten«, entgegnete Rodraeg trotzig. »Ein paar Buckelwale würden mir schon genügen.« Er wechselte einen Blick mit Eljazokad. Die Gezeitenfrau schaute auf die offene See hinaus.
    Â»Sie sind nicht mehr fern«, krächzte sie. »In der Morgendämmerung, würde ich schätzen. Haltet euch nicht mit einzelnen Tropfen auf.«
    Â»Was macht Bestar jetzt?« fragte Rodraeg den Bogenschützen.
    Â»Ich kann ihn nicht mehr sehen. Er kriecht entweder auf allen vieren herum oder ist unter Deck gegangen.«
    Â»Näher ran. Entweder signalisiert er uns bald, daß alles erledigt ist, oder er kann unsere Hilfe gebrauchen.«
    Sie ruderten näher heran. Eljazokad schwieg die ganze Zeit.
    Bestar pirschte sich zuerst an das Oberlicht heran. Die beiden Kartenspieler waren immer noch mit Spielen beschäftigt. Bestar nickte. Wenn er unter Deck frei hätte, und oben wären vier Mann auf Wache, würde ihn das Klappern eines Säbels auch nicht beunruhigen. Solange keiner der anderen Alarm schlug, war lediglich einem übermüdeten Kumpel die Waffe runtergefallen.
    Er erreichte den Niedergang. Die Treppe sah nicht allzu vertrauenerweckend aus, was ihre Geräuschlosigkeit anging. Bestar entschied sich für Frechheit und stapfte langsam und lautstark hinunter, wie ein Wächter, der den Abtritt aufsuchen muß. Sobald er in das Blickfeld der beiden Spieler kam, machte er zwei Sätze nach vorne und war schon bei ihnen. Dem vorderen – der ihm den Rücken zuwandte – schmetterte er die Breitseite des Schwertes gegen die Schläfe, so daß der Seemann mitsamt seinem Stuhl zur Seite stürzte, seine in der Hand gehaltenen Schicksalskarten sinnlos in die Luft werfend. Der zweite versuchte umständlich, gleichzeitig aufzustehen, die Karten fallen zu lassen und sein Entermesser zu ziehen, doch Bestar war schon mit aufgestütztem Arm über den Tisch geflankt und trat ihm mit beiden Füßen vor die Brust. Die Stuhllehne zerbrach, der Pirat krachte rückwärts gegen die Wand und rutschte benommen brabbelnd daran herunter.
    Bestar blickte sich um. Da war noch ein dritter, den er von oben nicht hatte sehen können. Er lag in einer

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