Die Leute mit dem Sonnenstich
schön«, murmelte Thomas Steffen und zählte an den Fingern ab, »aber wir sind doch fünf Personen!«
»Seien Sie unbesorgt, gnädige Frau«, grinste Michael mit einem Blick auf den karierten Rock, »ich ziehe es vor, im Zelt zu schlafen.«
»Nein, das können wir Ihnen nicht zumuten«, rief Marion, »daß Sie unseretwegen Ihre Hütte verlassen wollen.« Sie sah Thomas Steffen dabei an, mit einem Blick, der ihm anzeigte, daß sein Ausweisungsbefehl sozusagen schon unterschrieben und amtlich abgestempelt sei.
»Aber wenn es dem Herrn doch S-paß macht, im Zelt zu schlafen«, stammelte Thomas Steffen, der auch bereits ein verdächtiges Kitzeln in der Nase spürte.
»Ich hätte in meinem Zelt übernachtet, auch wenn Sie nicht gekommen wären«, sagte Michael zu Steffens großer Erleichterung und schnitt die Debatte über dieses Thema mit einer Handbewegung ab.
»Oh, ich danke Ihnen! Sie sind wirklich sehr liebenswürdig!« sagte Marion mit einem schönen Augenaufschlag. Ihr Haar war inzwischen halb getrocknet und begann sich wieder in anmutigen Wellen auf ihre Schulter zu legen.
Michael musterte sie mit sichtbarem Wohlwollen.
»Nichts zu danken, mein Fräulein«, sagte er mit einer kleinen, chevaleresken Verbeugung, »es ist doch eine Selbstverständlichkeit, daß man für seine Gäste sorgt. Und man hat hier selten genug solch reizende Gesellschaft.«
Barbara hüstelte und verzog gelangweilt das Gesicht. Wenn Michael etwa glaubte, sie mit seinen faden Komplimenten für dieses herangeschwemmte Mädchen zu ärgern, dann täuschte er sich gründlich. Sie kannte ihn ja so gut, besser vielleicht, als er sich selber zu kennen glaubte. Mit wachsender Aufmerksamkeit jedoch bemerkte sie, daß Herr Steffen unter dem unverhüllten Interesse Marions für Michael litt, und sie ahnte mit untrüglichem Fraueninstinkt hinter diesem Leiden die zarten Gedankenstriche einer verborgenen und bisher höchst einseitigen Liebesgeschichte.
Michael teilte die Hütte vermittels dreier Zeltbahnen in zwei Räume von gleicher Größe ab. Er tat das so rasch und geschickt, daß Barbara es nicht unterlassen konnte, ihn mit kühlem Hohn zu fragen, ob er dieses Ziehen von trennenden Zwischenwänden etwa schon oft besorgt habe. Michael stellte sich taub. Aber er kochte innerlich.
Als er sich schließlich verabschiedete, um sein Zelt aufzusuchen und in den kalt gewordenen Schlafsack zu kriechen, war das Gewitter abgezogen, der Regen ließ ebenfalls nach, und es wetterleuchtete nur noch am Horizont. Kurz nach Michaels Verschwinden wünschten die vier Zurückgebliebenen einander gute Nacht, Marion und Barbara schlüpften in ihr Abteil, und Herr Keyser und Herr Steffen zwängten sich drüben in ihre Schlafsäcke.
»Und das war der letzte Tag des Abenteuers!« knurrte Herr Keyser, bevor er die Augen schloß. Es klang wie ein Schwur: »Morgen sitze ich im Zug, Steffen! Und zehn Pferde schleppen mich nicht wieder in solch ein verdammtes Boot! Boot?« wiederholte er verächtlich, als wäre es ein Nonsens, solch einem windigen Ding, bestehend aus ein paar Holzlatten und gummierter Leinenhaut, die solide und ehrliche Bezeichnung Boot zu geben. »In solch einen Seelenverkäufer!«
Thomas Steffen seufzte leise.
»Wie Sie meinen, verehrter Herr Keyser.«
Die süßen Hoffnungen, die er auf diese Fahrt gesetzt hatte, waren fehlgegangen und zerronnen, ganz und gar. Und jetzt sollte also alles vorbei sein. Nun ja, man mußte sich eben in Geduld fassen.
»Ohne dich etwa aufregen zu wollen, Paps«, sagte Marion jenseits der Zeltbahn, die den Raum trennte, »mir ist es nur ziemlich unklar, wie du fahren willst und ob man dich in der Badehose überhaupt den Bahnsteig betreten läßt, geschweige denn den Zug.«
»Himmel, Zwirn und Wolkenbruch!« fluchte Herr Keyser und fuhr, trotz Schnupfen und Schüttelfrost, halb aus dem Schlafsack heraus. »Steffen, Sie Unglücksmensch! Was fangen wir beide an? Wie sollen wir wieder heimkommen?« — Das achttägige Leben in der Badehose hatte ihn völlig vergessen lassen, daß es Orte gab, wo die Bekleidung der Mittelpartie den Forderungen von Sitte und Anstand nicht genügte und Anlaß zur Erregung öffentlichen Ärgernisses geben konnte.
»Vielleicht hat man mein Boot inzwischen irgendwo aufgefischt«, stotterte Thomas Steffen mit geronnener Stimme; auch ihm wurde die Bedeutung des Verlustes erst jetzt in vollem Umfang klar.
»In Passau oder in Wien!« ächzte Herr Keyser, dem aller Optimismus abhanden gekommen zu
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