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Die Leute mit dem Sonnenstich

Die Leute mit dem Sonnenstich

Titel: Die Leute mit dem Sonnenstich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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draußen noch immer regnete und stürmte, hielt sich der Fettgeruch zäh in den Wänden.
    An einem quer durch den Raum gespannten Bindfaden hingen die Trikots der drei Schiffbrüchigen.
    Marion hatte ihre Kleider zwar gerettet, aber sie waren völlig durchweicht. Barbara, die im Hinblick auf ein freies, aber primitives Indianerleben nur das Allernotwendigste an Kleidung mitgenommen hatte, konnte Marion mit nichts anderem als einem Schlafanzug und einem Pullover aushelfen.
    Michael, der mit zwei Hemden, Zahnbürste, Shorts und Jacke auf die Insel gekommen war, hatte Herrn Keyser bis zur Erwärmung seine Homespunjacke abgetreten. Im übrigen stak der arme Herr Keyser wie ein Wickelkind bis zu den Achseln in einer braunen Wolldecke und konnte sich nur wie beim Sackhüpfen fortbewegen.
    Thomas Steffen hatte von Michael ein altes Flanellhemd und von Barbara einen Bürorock bekommen, den Barbara auf die Fahrt mitgenommen hatte, um den unverwüstlichen Stoff auf dieser Reise aufzutragen und nach Möglichkeit ein paar Löcher hineinzureißen. Es war ein großkarierter Rock, und Thomas Steffen sah darin wie ein schottischer Clanhäuptling in seinem Stammeskilt aus. Leider besaß Steffen nicht genug Humor, um Michaels rüpelhafte Anspielungen auf seinen überraschenden Geschlechtswechsel mit Gelassenheit zu ertragen.
    Im allgemeinen benahm sich Michael jetzt halbwegs manierlich; er machte Marion unverhohlen den Hof, unterhielt sich mit Marions Vater in einem höflichen Ton und strafte Barbara mit eisiger Kälte, als ob sie für ihn einfach nicht vorhanden sei. Aber er beleidigte sie wenigstens auch nicht. Dafür betrug er sich Herrn Steffen gegenüber um so skandalöser. Kaum hatte er die üblen Anzapfungen wegen der Geschlechtsmutation hinter sich, da behauptete er bereits mit dreister Stirn, er habe Steffen für Marions Vater gehalten oder zumindest für einen älteren Onkel von ihr. Dabei strählte er sich zwinkernd die dichten, drahtstarken Haare aus der Stirn, die bei Steffen — das soll nicht verschwiegen werden — vom schon ein wenig licht zu werden begannen. Nichts hätte näher gelegen, als ihm zu antworten, daß nur Ochsen sich um ihren Haarwuchs keine Sorgen zu machen brauchen, aber dieser ausgezeichnete Gegenhieb fiel Steffen leider erst zwei Stunden später ein.
    Marion wollte sich krank lachen, wenn die beiden aufeinander loshackten; es wäre nicht sehr geschmackvoll gewesen, wenn sie die Hoffnungen gekannt hätte, mit denen Thomas Steffen auf die Reise gegangen war.
    Herr Keyser wiederum war zu satt und zu müde, um für den Mann seiner Wahl eine Lanze einzulegen.
    Steffen wäre Michael für sein Leben gern ans Leder gerückt. Teils hinderte ihn daran seine gute Erziehung und teils auch schon der oberflächliche Blick auf die Hände und auf den Bizeps seines Gegners. Die Chancen waren zu ungleich verteilt, und so blieb ihm nichts anderes übrig, als seinen Grimm mit dem tröstlichen Gedanken herunterzuschlucken, daß morgen zwischen ihm und dieser verdammten Insel Wasser genug liegen würde, um den ungehobelten Lümmel zehnmal zu vergessen.
    Herr Keyser hatte sich tüchtig erkältet. Seine Nase glühte. Er nieste erbarmungswürdig und bekam schon während des Mahles leichte Anfälle von Schüttelfrost, die sich später immer häufiger wiederholten.
    Marion wurde ängstlich. Was sollte geschehen, wenn ihr Vater hier ernstlich erkrankte?
    Herr Keyser zerstreute ihre Besorgnis und beteuerte lebhaft, wenn ihm dabei auch die Zähne klapperten, ihm fehle nichts als Wärme und Schlaf, um morgen früh wieder ganz mobil und auf dem Damm zu sein.
    Marion horchte hinaus, aber der Wind heulte nach wie vor um die Hütte, schüttelte die Weide, daß die Äste klirrten, und der Regen trommelte nach wie vor aufs Dach.
    »Ich weiß nicht, wie ich bei diesem Wetter die Zelte trocken aufbauen soll«, sagte sie und sah Michael dabei hilfesuchend an.
    »Zelte?« ächzte Herr Keyser. »Um alles in der Welt, Marion, aber das wirst du mir doch nicht zumuten und antun!«
    »Machen Sie sich darüber keine Gedanken!« fiel Michael mit der Miene eines Mannes ein, dem ein Schloß mit einem ganzen Flügel für die Aufnahme von Gästen zur Verfügung steht. »Wenn Sie sich nicht allzu breit machen, ist hier Raum genug für vier Schlafsäcke. Mit ein paar Zeltbahnen könnte man sogar ein Damenschlafzimmer abteilen.« — Er sah dabei Barbara an, als erwarte er insonderheit von ihr ein paar passende Worte zu diesem Vorschlag.
    »Sehr

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