Die Leute mit dem Sonnenstich
verspürte nach dem Genuß der Würstchen einen regelrechten Hunger.
Das sprudelnd heiße Salzwasser in der Büchse brachte ihn auf den Gedanken, ein paar Eier abzusieden. Er legte drei Stück ein, begann langsam bis einhundertundachtzig zu zählen — er liebte Dreiminuteneier — und sah sich währenddessen, immer schön gleichmäßig weitermurmelnd, »einunddreißig — zwounddreißig — dreiunddreißig«, genauer in der Hütte um.
Neben dem hochbeinigen Herd entdeckte er in einer Pappschachtel die Vorräte, die Michael und Barbara für einen achttägigen Aufenthalt mitgenommen hatten: ein paar Dosen Kondensmilch, ein paar Bündel Makkaroni, ein paar Pfund Mehl, Fett, Zucker, einige Döschen mit Tomatenpüree, ein Stück Bauerngeselchtes und eine Büchse mit gemahlenem Kaffee.
»... einundneunzig — zweiundneunzig — dreiundneunzig...« Herr Keyser verstummte plötzlich. Die Zahlenreihe riß auch in seinem Hirn jäh ab. Eine Gedankenkette hatte sich dazwischengeschoben, ein Einfall, der ihn so überwältigte, daß er sekundenlang mit offenem Munde wie gebannt stehenblieb und in sich hineinhorchte, als erwarte er eine Antwort aus seinem Innern.
Ein Ei, das mit schwachem Knall in der Konservendose zersprang, die ihm als Kochgefäß diente, brachte ihn zu sich zurück. Er nahm die Büchse mit einem Lappen vom Feuer und goß das kochendheiße Wasser vorsichtig in einen leeren Napf, legte die Eier zum Abkühlen in ein Gefäß mit Wasser, schüttete die heiße Würstchenbrühe in die Blechdose zurück, schürte nach, stellte sie wieder ins Feuer und legte alle Eier, die noch vorhanden waren, hinein. Es waren im ganzen sieben Stück.
»Ihr könnt hart werden!« murmelte Herr Keyser mit grimmigem Gesicht.
Dann öffnete er die letzte Bockwurstbüchse und stellte sie ebenfalls in die Flamme. Inzwischen waren die abgekochten Eier kühl geworden. Er klopfte sie auf, verzehrte zwei von ihnen und warf das dritte, das alt roch, zur Tür hinaus in die Donau. Als Zwischengericht schnitt er sich ein ordentliches Stück Brot ab und bestrich es fingerdick mit Butter.
Da die Würste noch nicht warm waren, hatte er Zeit, sich eine zweite Riesenstulle zuzubereiten, die er mit dem Rauchfleisch belegte und zu der er den letzten Buttervorrat nicht nur ohne Bedenken, sondern sogar mit Genugtuung verbrauchte. Über diese Stulle machte er sich jedoch nicht sofort her, sondern wickelte sie sorgfältig in ein Stück Papier. Dafür ging er jetzt zur Erdbeermarmelade über und löffelte das süße, klebrige Zeug, auch wenn ihm davon ein wenig übel wurde, mit finsterer Entschlossenheit bis auf einen kleinen Bodenrest radikal aus.
Mit um so größerem Verlangen nach schärferer Kost nahm er jetzt die Würste vom Feuer und verzehrte sie langsam und mit Genuß, um sie dann mit der letzten Büchse Grapefruitsaft hinunterzuspülen. Danach machte er sich noch über das Gulasch her, das er nicht einmal aufwärmte. Aber er hatte sein Fassungsvermögen überschätzt. Bereits nach dem ersten Bissen des ziemlich zähen, aber scharf gewürzten Fleisches traten ihm Schweißperlen auf die Stirn, und er mußte schwer arbeiten, um mit der Kilodose bis auf einen kleinen Rest fertig zu werden.
Nein, er war kein Mann des Müßigganges! Sein genialer Plan, alle Vorräte zu vertilgen, die ganze Bande auszuhungern und Marion durch seine heroische Freßorgie einfach zu Kapitulation und Abzug zu zwingen, war als gelungen zu bezeichnen. Jedenfalls waren Marions Vorräte restlos vertilgt, und wenn er nun noch die Makkaronibündel geschickt verschwinden ließ, so daß nichts als ein paar Döschen Tomatenpüree, Kaffee und ein paar Dosen kondensierter Milch zurückblieben, war die Insel von morgen an dem Hunger ausgeliefert. Und dann mußte doch etwas geschehen!
Die abgekochten Eier und die Räucherspeckstulle versteckte Herr Keyser als kleinen Mundvorrat für sich selbst in seinem Schlafsack. Um die Makkaroni loszuwerden, sondierte er vorsichtig das Gelände und schlich mit den länglichen Paketen, als er sah, daß man seinem Treiben nicht die geringste Aufmerksamkeit schenkte, ans Wasser. Ein leises Plätschern. — Fahrt wohl und gute Reise!
Mitgenommen von den Ereignissen des Tages und völlig erschöpft von den Strapazen der letzten Stunde, kroch Herr Keyser in seinen Schlaf sack. Sein Werk war vollendet! Und er konnte den kommenden Ereignissen mit heiterer Ruhe und Gelassenheit entgegensehen.
7
Während Herr Keyser wie der Wolf nach dem Genuß von
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