Die Leute mit dem Sonnenstich
dann glitt ihr Blick zu Michael hinüber, auf seine bloßen Füße, und von dort über den blauen Umschlag seiner breit blau-weiß gestreiften Schlafanzughose empor. Und plötzlich brach sie in ein weithin schallendes Gelächter aus.
Sie lachte, daß ihr die Tränen über die Wangen liefen. Sie lachte so laut und hemmungslos, daß ihr Vater in der Meinung, nun habe sich alles zum Guten gewendet, aus dem Schlafsack kroch und herbeikam, um an dieser ungeheuren Heiterkeit teilzunehmen. Ach, es hatte bislang so wenige lustige Stunden auf der Insel gegeben, daß er geradezu hungrig nach ein wenig Fröhlichkeit war.
»Stell dir vor, Paps«, rief ihm Marion entgegen, »Steffen ist ausgerückt! Zusammen mit Fräulein Hollstein! Dein Freund und Sozius Steffen! Ausgerückt in Michaels Anzug und Boot! Na, Väterchen, was sagst du nun?«
Herr Keyser trat einen Schritt zurück und griff hinter sich ins Leere, als hoffe er, dort einen Stuhl zu finden, auf den er sich setzen könne.
»Nein!« sagte er. »Nein! Das gibt es nicht!« Und er machte ein Gesicht dazu, als verbitte er sich diesen verspäteten Aprilscherz.
»Doch, doch!« schrie Marion, noch immer von einem Lachanfall geschüttelt. Sie sah nicht, daß Michael rot anlief und dann blaß wurde vor lauter Zorn und Galle. Und plötzlich packte er sie an den Schultern, ziemlich unsanft an beiden Schultern und rüttelte sie wütend. »So hören Sie doch endlich mit Ihrem verdammten albernen Getue auf!« brüllte er sie an. »Was gibt es hier überhaupt zu lachen? Was ist daran so lächerlich, daß die beiden mich bestohlen haben und miteinander durchgebrannt sind, he?«
Sollte Marion, die so gern lachte, etwa weinen? Verlangte er etwa von ihr, daß sie in Tränen ausbreche, weil er durch Thomas Steffens wunderbaren Streich nun in genau der gleichen Lage war, in der Steffen vorgestern die Insel betreten hatte? War das etwa nicht zum Heulen komisch?
»Na, hören Sie einmal!« keuchte sie. »Dieser Steffen! Oder hätten Sie ihm dieses Stück zugetraut? Die Stillen im Lande — die haben es faustdick hinter den Ohren — hahaha. Weshalb schütteln Sie mich eigentlich? Sind Sie denn völlig humorlos?« Sie wand sich aus seinem brennenden Griff und rieb sich die
Schultern. Die Spuren seiner Finger würde sie vierzehn Tage lang an sich herumtragen.
Humorlos! Ja, zum Teufel, was dachte sich dieses Frauenzimmer eigentlich? Humor von ihm zu verlangen. Das traf ihn wie ein Schlag zwischen die Augen. Und was sollte man darauf erwidern? Diese Puppe packen und ins Wasser werfen oder übers Knie legen? Das ging denn wohl doch nicht an. Sehr bedauerlich, daß man als Mann bei derlei Gelegenheiten Rücksicht üben und auf verschiedenes verzichten mußte, was zu besorgen einem die Hände juckten. Was blieb ihm anderes übrig, als sich umzudrehen, Marion stehenzulassen, im Zelt zu verschwinden und seinen Grimm einsam in sich hineinzufressen.
»So ein unverschämter Gangster!« sagte Herr Keyser mit zitternden Lippen. Es war nicht genau festzustellen, wen er damit meinte, aber wahrscheinlich galt es Michael. Marion rieb sich mit beiden Händen wechselseitig die rot unterlaufenen Druckstellen an den Schultern und antwortete nicht. Sie hatte sich von ihrer Verblüffung, daß Michael es gewagt hatte, sie zu packen und herunterzuputzen, noch nicht erholt. Ja, sie war sich noch nicht einmal klar darüber, ob sie über seine handgreiflichen und verbalen Unverschämtheiten empört sein sollte oder nicht. Wenn Steffen das gewagt hätte, wäre etwas passiert! Aber man konnte Michael Prack eben nicht mit dem Maßstab messen, den man bei Herrn Steffen anzulegen hatte.
»Nein, ich kann es noch nicht glauben!« sagte Herr Keyser wie betäubt und stand kopfschüttelnd vor seiner ihn um Haupteslänge überragenden Tochter.
»Was denn, Paps?«
»Daß die beiden zusammen ausgerückt sein sollen! Jeder für sich vielleicht. Aber zusammen, nie!«
»Und weshalb nicht zusammen?« fragte sie.
»Nein«, gab er ihr zur Antwort und stöhnte laut.
»Ach sooo«, sagte Marion gedehnt, »ich verstehe!« Ihre Zungenspitze fuhr rasch über die trockenen Lippen. Sie verzog den Mund und hüstelte spröde: »Ach so, was dir nicht in deine Pläne und Dispositionen paßt, kann einfach nicht wahr sein, wie? Du scheinst dir also mit Herrn Steffen über meine Zukunft vollkommen einig gewesen zu sein, nicht wahr? Denn sonst wärest du wohl nicht so enttäuscht...«
»Nein, nein, nicht das!« wehrte Herr Keyser erschrocken
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