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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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noch nicht; im übrigen sehe es so aus, als würde ohnehin nur eine Drei-Wochen-Tournee daraus. Das Arts Council habe letztes Jahr ihr Budget überzogen, erklärte sie, und jetzt sei die Rede davon, dass sie ihnen die Zuschüsse für die Tournee vielleicht ganz strichen. Um Eindruck auf ihn zu machen, schmückte sie das Ganze noch ein wenig aus.
    »Ich meine, verstehst du, sie hatten geschworen, unser Stück wäre das letzte, dem sie die Unterstützung entziehen würden, und wir haben ja auch noch diese phantastische Rückenstärkung durch die Kritik im Guardian bekommen, und abgesehen davon, die ganze Geschichte kostet den Steuerzahler nur rund ein Dreihundertstel dessen, was man für einen Panzer bezahlen muss - aber was will man machen?«
    Ja, was sie denn bis dahin vorhabe? Joseph fragte das hinreißend desinteressiert. Und merkwürdig - sie dachte hinterher viel darüber nach -, weil er behauptete, sie nicht als Heilige Johanna gesehen zu haben, schien es jetzt das selbstverständlichste von der Welt, dass sie es sich nun schuldig waren, das, was ihnen entgangen war, durch anderes wiedergutzumachen.
    Charlie antwortete unbekümmert, dass sie vermutlich als Bardame die Runde durch die Theater mache. Als Kellnerin arbeite. Ihre Wohnung neu streiche. Warum?
    Joseph gab sich schrecklich bekümmert. »Aber, Charlie, das ist doch nichts für dich. Bei deinem Talent verdienst du doch wohl was Besseres, als Bardame zu spielen? Wie steht’s denn mit Unterrichten oder mit Politik, berufsmäßig, meine ich? Wäre das denn nicht interessanter für dich?«
    Da sie nervös war, lachte sie ziemlich verletzend über seinen Mangel an Weltkenntnis. »In England? Bei der Arbeitslosigkeit, die wir haben? Na, das schmink dir mal ab. Wer will mir denn fünftausend pro Jahr zahlen, um die vorhandene Ordnung umzustürzen? Ich gelte als subversiv , verdammt noch mal!«
    Er lächelte. Er schien überrascht und nicht recht überzeugt. Mit seinem Lachen machte er ihr höflich Vorhaltungen. »Aber nein, Charlie, komm! Was bedeutet das?«
    Darauf eingestellt, sich zu ärgern, hielt sie - den Kopf wie ein Hindernis vorgestreckt - wieder sein Starren aus. »Es bedeutet, dass sich jeder, wenn er mich sieht, sagt: ›Hände weg!‹ «
    »Aber wem gegenüber bist du denn subversiv?« wandte er ernst ein. »Du kommst mir wie ein stinknormaler Mensch vor, wirklich!« Was immer sie an diesem Tag auch glauben mochte, sie hatte instinktiv das unbehagliche Gefühl, er sei drauf und dran, sie in der Auseinandersetzung zu überflügeln. Aus Selbstschutz zog sie sich daher auf eine plötzliche Mattigkeit im Verhalten zurück. »Lass mich doch in Ruhe, Jose, ja?« legte sie ihm müde nahe. »Wir sind hier auf einer griechischen Insel, stimmt’s? Machen Urlaub, ja? Du lässt die Finger von meiner Politik und ich sie von deinem Pass, einverstanden?«
    Der Hinweis genügte. Sie war überrascht und beeindruckt von der Macht, die sie in diesem Augenblick über ihn hatte; dabei hatte sie gefürchtet, überhaupt keine zu haben. Die Getränke kamen, und als er seine Limonade trank, fragte er Charlie, ob sie während ihres Aufenthaltes hier schon viele griechische Altertümer gesehen habe. Diese Frage verriet ein ganz allgemeines Interesse, und Charlie ging in entsprechend unbekümmertem Ton darauf ein. Sie sei für einen Tag mit Long Al nach Delos gefahren, um sich den Apollon-Tempel dort anzusehen, sagte sie; aber weiter habe sie in der Beziehung nichts unternommen. Sie vermied es, ihm zu erzählen, dass Alastair sich an diesem Tag auf dem Schiff so hatte volllaufen lassen, dass er streitsüchtig geworden war und dass es überhaupt ein verlorener Tag gewesen war und sie hinterher ganze Stunden in den Papierwarenhandlungen der Stadt verbracht hatte, um in Fremdenführern über das wenige nachzulesen, was sie gesehen hatte. Nur hatte sie sehr zutreffend den Verdacht, dass er das ohnehin wusste. Aber erst als er die Sprache auf ihr Rückflug-Ticket nach England brachte, begann sie, eine taktische Absicht hinter seiner Neugier zu wittern. Joseph fragte, ob er es sehen könne, und sie fischte es darauf mit einem gleichgültigen Achselzucken aus der Tasche. Er nahm es, blätterte es durch und vertiefte sich ernsthaft in die Einzelheiten. »Tja, damit könntest du ja genauso gut von Saloniki aus fliegen«, verkündete er schließlich. »Warum lässt du mich nicht einfach einen Freund von mir anrufen, der bei einem Reisebüro arbeitet, damit er das Ticket umschreibt?

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