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Die Libelle

Die Libelle

Titel: Die Libelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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kämpfte. Gleichzeitig liebte sie jedoch die leuchtenden Farben, die sich zusammen mit ihrem Zorn einstellten, das herrliche Befreit-Sein, das zerschlagene Porzellan. »Wozu soll es gut sein, an was zu glauben , ehe man etwas ablehnt?« wollte sie wissen und erinnerte sich damit an eine großartige Phrase, die Long Al ihr - oder war es jemand anders gewesen - eingetrichtert hatte. »Vielleicht heißt etwas ablehnen, ja glauben. Ist das Ihnen jemals aufgegangen? Wir führen einen anderen Krieg, Marty - den wirklichen. Da steht nicht Macht gegen Macht oder Ost gegen West. Da stehen die Hungrigen gegen die Schweine, Sklaven gegen Unterdrücker. Sie glauben, Sie sind frei, nicht wahr? Aber das sind Sie nur, weil jemand anders in Ketten liegt. Sie essen, dafür muss jemand anders verhungern. Sie laufen, jemand anders steht still. Wir müssen das Ganze verändern.«
    Einst hatte sie das geglaubt; hatte es wirklich geglaubt. Vielleicht tat sie das immer noch. Sie hatte es erkannt und sah es ganz klar vor Augen. Sie hatte damit bei Wildfremden angeklopft und beobachtet, wie sich die Feindseligkeit aus ihrem Gesicht verflüchtigte, sobald sie erst mal bis zu ihnen durchgedrungen war. Sie hatte es gefühlt und war dafür auf die Straße gegangen: für das Recht der Menschen, das Denken der Menschen zu befreien, sich gegenseitig aus dem Morast kapitalistischer und rassistischer Konditioniertheit herauszuziehen und sich einander zwanglos und brüderlich zuzuwenden. Dort draußen vermochte diese Vision an einem klaren Tag auch heute noch ihr Herz zu füllen und sie zu mutigen Taten hinzureißen, vor denen sie, wenn die Begeisterung sich nicht erfüllte, zurückgeschreckt wäre. Aber hier in diesen vier Wänden und umgeben von all diesen klugen Gesichtern war kein Raum für sie, um ihre Flügel auszubreiten.
    Sie versuchte es noch einmal, mit schriller Stimme diesmal: »Wissen Sie, Marty, einer der Unterschiede, wenn man so alt ist wie Sie und so alt wie ich, liegt doch darin, dass es uns einfach nicht gleichgültig ist, für wen wir unsere Existenz aufs Spiel setzen. Aus irgendeinem Grunde sind wir nun mal nicht scharf darauf, unser Leben für eine multinationale Gesellschaft mit Sitz in Liechtenstein und Bankkonto auf den Holländischen Antillen zu opfern!« Das nun hatte sie ganz bestimmt von Al. Sie übernahm sogar sein sarkastisches Gekrächze, um es herauszubringen. »Wir finden es einfach nicht in Ordnung, dass Menschen, die wir nicht kennen, von denen wir noch nie gehört und die wir auch nicht gewählt haben, sich anmaßen, die Welt für uns zu ruinieren. Wir lieben nun mal keine Diktatoren, so komisch das ist, egal, ob es Gruppen von Leuten sind oder Gruppen von Ländern oder Institutionen. Und wir haben auch nichts für Rüstungswettlauf, chemische Kriegführung oder irgendetwas sonst übrig, was dieses Katastrophenspiel bestimmt. Wir sind der Meinung, dass der jüdische Staat nicht unbedingt eine imperialistische amerikanische Garnison sein muss, und glauben auch nicht, dass die Araber verlauste Wilde oder dekadente Ölscheichs sind. Abo lehnen wir ab. Statt bestimmte Leitbilder zu haben - oder bestimmte Vorurteile und Bindungen. Deshalb ist Ablehnung was Positives, oder? Weil es was Positives ist, diese Dinge nicht zu haben, kapiert?«
    »Nun mal genau, Charlie, die Welt wie ruinieren?« fragte Kurtz, während Litvak geduldig weiterschrieb.
    »Indem man sie vergiftet. Sie verbrennt. Sie mit Schadstoffen und Kolonialismus und der totalen, berechneten geistigen Knüppelung der Arbeiter verschandelt und...« Und der andere Text fällt mir gleich wieder ein, dachte sie. »Also kommen Sie nicht, und fragen Sie mich nicht nach den Namen und Adressen meiner fünf Haupt-Gurus - einverstanden, Marty? Die hab’ ich nämlich hier drin « - sie klopfte sich an die Brust - »und seien Sie nicht so verdammt überheblich, wenn ich Ihnen nicht die ganze beschissene Nacht lang Che Guevara zitieren kann; fragen Sie mich doch einfach, ob ich möchte, dass die Welt nicht untergeht, und ob meine Kinder...« » Können Sie Che Guevara zitieren?« fragte Kurtz interessiert.
    »Moment mal«, sagte Litvak und hob eine durchscheinende Hand, während er mit der anderen wie gehetzt schrieb. »Das ist fabelhaft ! Nur einen kleinen Moment, ja, Charlie?«
    »Warum greift ihr nicht mal tief in die Tasche und schafft euch ein Scheiß-Tonbandgerät an?« fuhr Charlie ihn an. Ihre Wangen waren gerötet. »Oder klaut eins, wenn das schon auf eurer

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