Die lichten Reiche: Band 1: Harfe und Schwert (German Edition)

sie zurückgewiesen. Dennoch hatte er gehofft, dass sie kommen würde, um sich zu verabschieden. Irrigerweise hatte er angenommen, dass sie es auf eine gewisse Art verstehen würde. Lucthen versuchte seine Enttäuschung darüber zu verdrängen. Er half Thistle den Proviant im Boot zu verstauen und half schließlich Crystal und Dawn ins Boot.
    „ Möge das Licht eure Wege erleuchten“, verabschiedeten sich die Elfen und traten einen Schritt zurück, als die drei Männer das Boot vom Sand ins Wasser schoben und dann hineinsprangen. Das Boot schwankte leicht, bis sie alle Platz genommen hatten, dann lag es ruhig und tief im Wasser. Lucthen warf einen wehmütigen Blick zurück an Land und da sah er sie. Eine schlanke Gestalt, ganz aus Mondlicht geboren, die aufs Meer hinaus blickte. Sie stand nicht bei den Anderen, doch sie war gekommen und eine tiefe Stille legte sich über Lucthens Geist.
     

    „ Tut gut, wieder einmal nur unter Menschen zu sein“, grinste Dawn und lehnte sich gegen Corus. Seit einiger Zeit saß Thistle gemeinsam mit Lucthen am Ruder, nachdem Corus sich über seine schmerzenden Muskeln beklagt hatte. Thistle teilte Dawns Meinung nicht so ganz. Er hatte sich eigentlich ganz wohl gefühlt unter all den Halbelfen.
    „ Denkt ihr, dass wir vielleicht eine Nacht auf dem Meer verbringen müssen?“, erkundigte sich Crystal.
    „ Lucianus hat gemeint, dass er damals einen halben Tag gebraucht hat um zu den Inseln zu gelangen, doch er hat das Boot mit Magie angetrieben. Es ist also gut möglich meinte Lucthen.“
    „ Na, das sind ja tolle Aussichten“, murmelte Dawn verdrießlich.
    Thistle musste gestehen, dass ihn dieser Gedanke auch nicht gerade begeisterte. Das Ewige Schaukeln des Bootes schlug sich auf seinen Magen und er war dankbar, dass er am Ruder saß, das lenkte ihn zumindest etwas ab.
    „ Glaubt ihr, dass irgendein Mensch schon einmal weiter östlich war, als wir gerade eben?“
    Corus grinste und strich der jungen Frau übers Haar. „Das wage ich zu bezweifeln.“
    „ Die Menschen haben Angst vor dem Meer, nicht wahr?“
    „ Angst würde ich es nicht nennen“, meinte Lucthen ruhig. „Nur Respekt vor dem, was Größer ist als sie selbst.“
    „ Was ist mit den Geschichten über den Rand der Welt?“, beharrte Dawn. „Die sind doch unheimlich.“
    Thistle grinste breit. Manchmal vergaß er, wie jung Dawn noch war. Einerseits tat sie furchtbar erwachsen und andererseits hatte sie Angst vor Kindergeschichten. Als er einen Blick in Crystals Richtung warf, stellte er fest, dass auch sie beunruhigt schien. Was war das bloß mit den Frauen, das sie sich von Geschichten so beeinflussen ließen? Als er Lucthens Antwort hörte, geriet er aus dem Takt und hätte vor Schreck beinahe das Ruder fallen lassen.
    „ Ich würde denken, dass der Rand weiter draußen liegt, als die Inseln. Immerhin war Lucianus dort und ist nicht hinabgestürzt“, meinte der Magus mit ruhiger Stimme.
    „ Du glaubst diese Geschichten?“, fragte Thistle. Lucthen war durch und durch vernünftig. Wenn er dachte, dass an den Geschichten etwas Wahres war, dann…
    „ Ich habe genauso viel Grund sie zu glauben, wie sie nicht zu glauben“, meinte Lucthen. „Es gibt die verschiedensten Theorien darüber, wie das Ende der Welt aussieht. Ich muss gestehen, ich habe nicht den Ehrgeiz sie zu überprüfen.“
    „ Ich auch nicht“, meinte Crystal leise. „Die Vorstellung, dem Nichts so Nahe zu sein ist unheimlich.“
    Alle nickten bekräftigend. Wenn es etwas gab, was die Menschen noch mehr fürchteten, als die Dunkelheit, dann war es das Nichts. Aus dem Nichts war alles entstanden, Himmel und Erde, Licht und Dunkel. Das Nichts war größer als alle Dinge die waren und sein konnten. Thistle dachte nicht oft über solche Dinge nach und er versuchte auch jetzt sich nicht vorzustellen was am Ende lag.
    „ Schaut nur!“, rief Crystal plötzlich aus und deutete auf den Himmel.
    Thistle kniff die Augen zusammen um zu erkennen, was ihre Aufmerksamkeit erregt hatte, dann sah er es. Ein Vogel flog durch die Luft und näherte sich dem Boot. „Mein Falke“, murmelte er und drückte Corus das Ruder in die Hand. Er suchte in seinem Gepäck den Handschuh und streifte ihn sich über. Der Falke war jetzt ganz Nah, kreiste über dem Boot und als Thistle ihm die Hand entgegen streckte, landete er auf seiner Faust. „Ich dachte schon, du wolltest nicht mitkommen, nachdem du heute Morgen nicht aufgetaucht bist.“
    Dawn seufzte. „Bitte