Die lichten Reiche: Band 1: Harfe und Schwert (German Edition)
leid und dann versuchte er sich dem Drang zu widersetzten, doch dann schien es ihm, als könne er genauso gut versuchen zu atmen aufzuhören, als würde er nur sinnlos seine Energie verschwenden und dass er besser anfangen sollte, sein Schicksal zu akzeptieren. Den Anderen fiel seine Ungeduld nicht auf, nur Crystal musterte ihn manchmal mit seltsam verstehendem Blick. Dann biss sie nach einem langen Ritt die Zähne entschlossen zusammen und meinte, „Von mir aus können wir noch ein Stückchen reiten. Ich bin nicht müde“, obwohl ihre Finger die Zügel so fest umkrampft hielten, dass die Knöchel weiß hervortraten und die Schweißperlen auf ihrer Stirn verrieten, dass sie der Erschöpfung nahe war. Dann überkam ihn das schlechte Gewissen und er schaffte es, seine Ungeduld für ein paar Tage in Schach zu halten. Eines Nachmittages hatte es nicht aufhören wollen zu regnen und sie hatten beschlossen, dass sie an diesem Tag nicht weiter reiten würden. Sie hatten unter den Ästen einer alten Fichte Schutz gesucht. Der Boden war von weichen Nadeln bedeckt gewesen und in jener Nacht hatte er einen seltsamen Traum gehabt. Das Rauschen des Regens war in seinem Geist zum Rauschen des Meeres geworden. Groß und eindrucksvoll lag es vor ihm. So weit das Auge reichte nichts als Wasser. Lucthen hatte das Meer noch nie gesehen, doch selbst im Traum wusste er mit Sicherheit, dass es keinen See geben konnte, der so groß war, dass er die ganze Welt zu umspannen schien und dass das folglich nur das Meer sein konnte, was sich da vor seinen Augen wie ein großer Teppich ausbreitete. Das Meer war ruhig und er sah wie die Sonne langsam ins Wasser tauchte, es Rot und Gelb färbte und schließlich vom Wasser gelöscht wurde, wie eine Fackel, die man in Wasser taucht. Eine tiefe Dunkelheit senkte sich über die Welt. Der Himmel war wolkenlos und doch war kein einziger Stern zu sehen. Nur der Mond stand rund am Himmel, wie ein einzelnes helles Auge. Keine Nacht der Welt konnte so vollkommen Schwarz sein, dachte er im Traum. Das Meer wurde nun unruhiger, die Wellen schlugen hoch zusammen und dann sah er ein Boot. Klein, wie eine Nussschale trieb es verloren zwischen den Wellen. Lucthens Herz stockte als er eine Gestalt darin ausmachen konnte. Sie saß ganz still, ihren Blick in den Himmel gerichtet. Eine tiefe Verzweiflung drohte Lucthen zu überwältigen, als er begriff, dass sie sich an nichts orientieren konnte, da die Sterne erloschen waren, doch dann konnte er ihr Gesicht genauer erkennen und stockte. Er kannte ihre Züge wie seine eigenen und es war Liisatiinas Gesicht, das er sah, und doch wieder nicht. Sie schien älter als er sie kannte und schöner wie von Innen erleuchtet. Ihre Empfindungen spiegelten sich deutlich in ihrem Gesicht. Sie hatte die Liebe kennen gelernt und die stille Freude darüber erleuchtete ihre Züge und eine Entschlossenheit, die den Tod wagen würde, der Liebe wegen. Zum ersten Mal sah er ihre Stärke und er lächelte im Traum. Dumpf begriff er, dass er nicht die Gegenwart sah, sondern etwas das erst geschehen würde. Lange sah er ihr zu, wie sie in ihrem Boot auf den Wellen ritt und ihr Blick über den Himmel schweifte, nach irgendetwas suchte, woran sie ihn festmachen konnte. Das Boot kam zu einem abrupten Halt und Lucthen begriff, dass es sie bisher entgegen aller Logik immer weiter getragen hatte, denn es hatte weder Segel noch Ruder. Eine Ewigkeit schien zu vergehen und die Sonne hätte längst wieder aus dem Wasser tauchen müssen um Liisatiinas Weg zu erhellen, doch der Tag weigerte sich anzubrechen. Diese Nacht würde ewig dauern, fühlte er. Und langsam fand er diese Erkenntnis auch auf ihren Zügen wieder. Sie schien zu begreifen, dass sie verloren war und eine einzelne Träne lief ihre Wange entlang. Lucthen spürte ihren Schmerz. Nicht, weil sie sterben würde, denn sie hatte keine Angst vor dem Tod. Alles was sie fürchtete war, zu sterben ohne ihren Geliebten noch einmal in die Arme schließen zu können. Sie weinte immer heftiger, weinte wie jemand der alles gefunden und wieder verloren hat und ihr Schluchzen wurde zum Tosen des Regens, als er erwachte.
Er verstand nicht was der Traum zu bedeuten hatte, nur dass er alles daran setzen musste, dass dieses Bild nie Wirklichkeit wurde, wusste er.
Das kühle Wasser des Flusses prickelte auf Thistles Haut, als er sich Arme und Gesicht wusch. Die letzten Strahlen der Sonne fielen auf die Lichtung, an der sie Rast gemacht hatten. In den
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