Die lichten Reiche: Band 1: Harfe und Schwert (German Edition)
dass auch er die leicht spitz zulaufenden Ohren hatte, die sie Alle zu besitzen schienen. „Seid willkommen in unserem Hain, mein Name ist Lucianus. Nadjadira habt ihr, soweit ich informiert bin, bereits kennen gelernt“, begrüßte er sie. Seine Stimme erinnerte Thistle an das Brechen von Eis. „Ihr seid also die ersten Mittelländer, die die Ehre haben hier willkommen zu sein“, meinte er an Crystal und Lucthen gewandt. Thistle bemerkte stirnrunzelnd, dass Dawn und Corus noch immer nicht hier waren. „Eines der bestgehütetsten Geheimnisse des Hains wurde euch bereits anvertraut. Unsere Existenz ist seit langer Zeit ein Geheimnis, in das einzig die Druiden eingeweiht werden. Wir vertrauen darauf, dass dieses Geheimnis bei euch sicher ist.“
Thistle nickte und auch die Andern gaben dem stolzen Halbelfen zu verstehen, dass sie nicht vorhatten ihre Geheimnisse jemandem preiszugeben. Er schien zufrieden, denn er nickte und meinte, „Nun, dann können wir uns ja darum kümmern, warum ihr hier seid.“ Er wandte seinen Blick erst Crystal zu, die einen Moment lang unsicher wirkte, dann jedoch die Schultern straffte und meinte, „Ich bin auf der Suche nach einem Magus, der angeblich hier leben soll.“
Lucianus Mund verzog sich zu einem leichten Grinsen. „Und in welcher Angelegenheit soll er Euch helfen?“
Thistle unterdrückte ein unwilliges Schnauben. Crystal hatte nichts von Hilfe gesagt. Was für ein arroganter Kerl. Dass er Recht hatte, machte die Sache auch nicht gerade besser.
„ In den Mittellanden werden Barden ermordet. Die Drei obersten Talosreiter haben mich gebeten hierher zu kommen und ihn um Hilfe zu bitten.“
Lucianus musterte sie lange Zeit. „Und wie könnte er Euch helfen?“
Thistle sah, dass Crystal hart schluckte. „Vielleicht könnte er mir sagen, warum diese Morde geschehen; welchem Zweck sie dienen.“
„ Vermutlich könnte er das tun, doch vielleicht solltet Ihr Euch eure eigenen Gedanken darüber machen.“
„ Ich kann Euch versichern, dass Lady Crystal das getan hat“, fiel ihm Lucthen hart ins Wort. Seine Stimme war gefährlich leise und Thistle verbiss sich ein Grinsen. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis der Magus Crystal zu Hilfe eilte.
Lucianus musterte den Magus eine Weile. Schließlich nickte er. „Wir werden später darüber reden. Zuerst, meine liebe Lady Crystal, müsst Ihr einige Dinge begreifen. Und nicht alle werden Euch gefallen.“
„ Was Euch betrifft“, meinte er plötzlich an Thistle gewandt, „Der Wald hat euch gerufen. Er hat eine Aufgabe für Euch. Ich nehme an, Ihr hegt nicht den Wunsch Druide zu werden?“
Thistle erstarrte kurz, dann schüttelte er schwach den Kopf.
Lucianus nickte lächelnd. „Das wird auch nicht nötig sein.“
Erleichtert stieß Thistle den Atem aus.
Lucthen beruhigte sich sofort, als er Liisatiinas Gestalt sah, die sich den beiden Halbelfen näherte und schließlich auf einem der Stühle Platz nahm. Er wurde taub, für die Beleidigungen, die Lucianus seinen Freunden entgegenschleuderte, hatte keine Kraft mehr, sich über seine Arroganz zu ärgern. Mit einem Mal verstand er ihn sogar. Er war alt, nicht das er so aussah, denn seinem Aussehen nach, war er vielleicht dreißig Sommer alt, doch wer in seine Augen gesehen hatte wusste, dass sie das Wissen von Jahrhunderten bargen. Natürlich fiel es ihm dann nicht leicht, die menschliche Art zu verstehen. Lucthen fragte sich, wie viel diese Halbelfen von der Magie ihrer elfischen Eltern geerbt hatten. Lucthen zwang sich den Blick von Liisatiina zu wenden und sah sich nach Crystal um. Sie war unnatürlich blass und schien sich die Tränen verbeißen zu müssen. Er erinnerte sich wieder an Lucianus Worte. Was hatte er gemeint? Was musste sie begreifen? Hatte er andeuten wollen, dass die Barden ihretwegen gestorben waren? Crystal schien seine Worte so aufzufassen. Er fühlte wieder Wut in sich hoch wallen. Verständnis hin oder her, niemand hatte das Recht, seine Freunde so zu behandeln.
„ Bevor irgendetwas geschehen kann, müsst Ihr, Baronin, endlich begreifen, was Ihr seid“, ertönte da wieder seine kalte Stimme. Crystal schaute ihn verwirrt an. Lucianus seufzte. „Vielleicht, wollt Ihr es Ihr erklären, Magus?“
Lucthen hatte Mühe seinen unbewegten Gesichtsausdruck beizubehalten. Wovon, um der Weisheit Talos Willen, sprach er?
„ Vielleicht solltet Ihr endlich die Augen aufmachen“, seine Stimme war, wenn das überhaupt möglich war, noch kälter
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