Die lichten Reiche: Band 1: Harfe und Schwert (German Edition)
geworden.
„ Spielt uns doch etwas, Lady Crystal“, forderte er und deutete auf einen Stuhl, auf dem sie Platz nehmen sollte. Crystal wirkte unsicher, setzte sich jedoch. Ein Druide eilte herbei und drückte ihr eine Harfe in die Hand. Sie sah zu Lucthen auf, ihre Augen groß und fragend. Lucthen nickte aufmunternd und Crystal nickte seufzte leise, dann begann sie zu spielen. Nach wenigen Tönen schloss sie die Augen und Lucthen sah, dass sie in die Welt der Töne abtauchte.
Liisatiina stand plötzlich neben ihm und berührte ihn am Arm. „Sieh mit den Augen der Magie“, forderte sie leise. Lucthen zögerte kurz, dann kam er ihrem Wunsch nach, vollführte die Gesten, die eine Welt vor ihm verbargen und eine andere für ihn öffneten. Farben und Formen verblassten vor seinen Augen, als alles um ihn herum schwarz wurde unterdrückte Lucthen die aufsteigende Panik, die ihn immer befiel, wenn er diesen Zauber anwandte. Die Angst plötzlich blind zu sein, lähmte ihn einen Moment, doch dann öffnete sich ihm eine neue Welt. Helle Linien bildeten sich vor seinen Augen und er blickte auf seine Füße. Die Magielinien seines Körpers liefen in die Erde, verbanden sich mit ihr. Er konnte das Netz der Erde und der Luft sehen, dann drehte er den Kopf und sah Liisatiina an. Sie war wunderschön. Ein Gespinst aus hellen Linien, wie eine Verdichtung der Luft, mit der sie verschmolz. Er konnte sehen, dass sich ihre Magielinien auf eine Art und Weise verbanden, wie er es nie zuvor gesehen hatte und er staunte einen Moment lang. Doch dann sah er etwas noch viel seltsameres. Das Netz lag nicht reglos wie sonst, sondern vibrierte und bebte. Unwillkürlich suchte er nach der Ursache für diese Anomalie. Wellen gingen von der Stelle aus, an der Crystal saß. Er sah den Faden, der sie ans Netz band. Sah, dass er in Ruhe war, doch alle Bewegung von ihm ausging. Jetzt hörte er auch die zarten Töne von Crystals Lied und sah, dass sich die Welt im Rhythmus ihres Liedes bewegte. Es dauerte einen Moment bis er begriff: Crystal griff mit ihrer Stimme ins Netz. Diese Erkenntnis erschreckte ihn und unwillkürlich schloss er die Augen. Als er sie wieder öffnete war der Zauber gebrochen. Crystal saß immer noch auf ihrem Stuhl und spielte. Sie sah wunderschön aus, zierlich und beschützenswert wie immer, dennoch fühlte er sich plötzlich unbehaglich angesichts der Macht, die in ihr schlummerte. Lucianus Blick ruhte nachdenklich auf ihr, Nadjadira hingegen lächelte verklärt. Lucthen begriff, dass Crystals Lied sie, als Tochter Eidos, besonders berühren musste; spielte sie doch eine Melodie, die den Wald ehrte.
Lissatiina stand immer noch dicht bei ihm. Auf ihrem Gesicht las er Verstehen und Lucthen hätte sie am Liebsten in die Arme geschlossen. Er musste mit ihr reden, auch wenn er nicht wusste, was er ihr sagen sollte. Dass er nicht ohne sich zurückreisen wollte? Dass er, wenn sie nicht weggehen konnte, hier bleiben würde? Lucthen seufzte leise. Tief in sich wusste er, dass es nicht so kommen würde.
„ Warum hast du mir nicht erzählt, dass sie eine Halbelfe ist?“ Crystal und Lucthen hatten sich zurückgezogen, nachdem Lucianus gemeint hatte, dass er ihnen erst dann weiterhelfen würde, wenn Lucthen Crystal erklärt hatte, was er gesehen hatte. Der Hain war wunderschön und weitläufig. Seit einiger Zeit hatten sie keine Menschen oder Halbelfen mehr gesehen. Crystal lenkte ihre Schritte dorthin, wo das Meeresrauschen stärker wurde, ging ihm entgegen, wie magisch angezogen von dem Geräusch, das die Wellen verursachten, wenn sie sich an Felsen brachen.
„ Ich wusste es nicht.“
Crystal blieb unwillkürlich stehen. Was sollte das heißen? Wer sie gesehen hatte, der musste doch wissen, dass sie unmöglich ein Mensch sein konnte. Und Lucthen kannte sie doch, oder?
Lucthen seufzte. „Ich habe dir gesagt, dass sie der Grund für meine Reise in die östlichen Wälder ist und das stimmt auch. Das klingt vermutlich sehr seltsam, doch ich habe sie in meinen Träumen gesehen, nicht in der Wirklichkeit. Jahrelang wusste ich nicht, dass sie wirklich existiert. Ich habe sie für ein Gespinst meiner Phantasie gehalten, eine Traumfrau im wahrsten Sinn des Wortes.“
„ Aber wie kann sie dann tatsächlich am Leben sein?“, Crystal blinzelte verwirrt.
Lucthen zuckte mit den Schultern und Crystal fuhr leicht zusammen. Der Magus gestattete sich normalerweise solche Regungen nicht. Er hielt Corus manchmal stundenlange Vorträge
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