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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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er leise. »Du solltest hier verschwinden und zum Beginenhof zurückkehren. Hier draußen ist die Jagd eröffnet. Das kann schon mal gefährlich werden. Aber wir fassen den Burschen schon.«
    Luzinde nickte dankbar. Einen langen Augenblick sah der Patrizier noch zu ihr herab, als wolle er etwas sagen. Dann bohrte er seinem Pferd die Sporen in die Seite. Das Tier machte einen großen Sprung nach vorne und trug ihn über das Gebüsch. Erst als das Getrappel der Hufe in der Ferne verklang, hastete sie zu der Erdmulde.
    Anna lag dort und hielt einem verweinten Thomas den Mund zu. »Sie sind weg«, rief Luzinde. Sie half den beiden heraus und fiel ihnen, dreckig wie sie waren, in die Arme. »Ich habe fast alles gehört«, keuchte die rundliche Magd. »Außer dem Namen. Wer war das? Und was wollte er?«
    »Er nannte sich Ulman Stromer. Er jagt den Geißbart, der dich angegriffen hat«, erklärte Luzinde.
    »Ulman Stromer?«, fragte Anna ungläubig. »Von den Nürnberger Stromern?«
    »Das klang so. Wer sind die?«
    »Du kennst sie nicht?«, rief Anna erstaunt aus. »Die Stromer sind eines der angesehensten und reichsten Patriziergeschlechter von ganz Nürnberg! Sie sitzen im Rat, besitzen große Ländereien und treiben Handel in der ganzen Welt! Bis hinunter ins Land der Welschen und hoch bis Lübeck und darüber hinaus, sagt man.«
    Diese Aufzählung wollte kaum zu dem jungen Mann passen, mit dem sie gerade gesprochen hatte. »Aber er war eigentlich ganz nett«, gab sie zurück.

    »Ganz nett? Die waren bekannt mit dem toten Kaiser Ludwig, Gott hab ihn selig!«
    Luzinde dachte über die Worte des zweiten Mannes nach, den sie kaum gesehen hatte. »Ich schätze, sie haben jetzt auch mit dem neuen König Karl zu tun.«
    Die beiden Frauen beschlossen, in die Sicherheit des Beginenhofes heimzukehren. Der Weg durch den Wald nach Pillenreuth war Luzinde noch nie so lang vorgekommen. Doch sie half Anna nicht, den jungen Thomas zu tragen. Luzindes Lüge war der Grund für den nachmittäglichen Ausflug gewesen. Wären sie wie befohlen nach Pillenreuth zurückgekehrt, wären sie dem Geißbart nie begegnet. Die Magd meinte, einen stummen Vorwurf in den Augen des Jungen zu lesen. Der klammerte sich an seine Mutter und schielte immer wieder zu ihr herüber. Doch er sagte nichts.
     
    Ulman Stromer gab seinem Pferd die Sporen. Der Grauschimmel jagte in halsbrecherischem Tempo über die Wiesen, sprang über Hecken und Bruchsteinmauern und schlüpfte zwischen den Bäumen hindurch. Er hörte Hufgetrappel rechts und links – die anderen Jäger versuchten, es ihm gleichzutun. Doch Ulman wusste, was seinTier zu leisten imstande war. Und er hatte die Beute zuerst gesehen, die es heute zu jagen galt.
    Die Stute liebte die Jagd ebenso wie er. Er hatte Wölfe in Böhmen erlegt, in Genua die Beiz gelernt, in Barcelona Bären getötet und sogar einmal an einer Schlangenjagd teilgenommen. Doch noch nie zuvor hatte er Jagd auf einen Menschen gemacht. Der Gedanke beflügelte ihn.
    Ulman machte einen grauen Haarschopf zwischen den Bäumen aus und steuerte den Schimmel mit einer winzigen Verlagerung des Gewichtes nach rechts. Er tauchte unter einigen Zweigen hindurch und stellte sich in den Steigbügeln auf, als
das Pferd einen plötzlichen Sprung über eine Vertiefung machte. Danach zog er die Rute aus dem Gürtel.
    Der Geißbart rannte von Baum zu Baum, wohl in der Hoffnung, dass er die Reiter im Wald abstreifen würde. Doch Ulman vertraute dem sicheren Tritt seiner grauen Stute. Er preschte auf den japsenden alten Mann zu, holte aus und schlug ihm auf die Beine, um ihn zum Stolpern zu bringen. Doch der Hieb ging ins Leere. Das Pferd schoss an seinem Ziel vorbei.
    Ulman zügelte den Grauschimmel hart, warf ihn herum und trieb ihn wieder vorwärts, als er sah, dass sich der Geißbart beiseite gerollt hatte und nun seitwärts zwischen die Büsche hastete. Der alte Mann keuchte bereits wie ein Zugochse. Er würde es nicht mehr lange machen.
    Als der Schimmel erneut zu dem Mann aufschloss, sprang der wieder beiseite. Auf diese Weise gelang es Ulman, den verwirrten Flüchtigen wieder zurück zumWaldrand zu treiben, in Richtung der weniger geschickten Reiter. Doch diese Beute würde Ulman sich nicht nehmen lassen. Inzwischen kannte er jede Bewegung des Geißbartes, der nun, ganz wie ein wildes Tier, nur noch reagierte.
    Beim nächsten Mal leitete Ulman seinTier nicht beiseite, um den Geißbart zu treiben. Die schwere Pferdeschulter rammte den Mann mit

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