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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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dem Orden nicht an. Sie versuchte, sich die Eintönigkeit des Lebens auf dem Waldhof so angenehm wie möglich zu machen. Ein paar erschlichene Pausen hier, eine von der Köchin zugesteckte Stange Süßholz da, ein kleiner Streich, um den Alltag erträglicher zu machen – sie war schließlich nicht immer eine Magd gewesen.
    Anfangs hatte Luzinde sich vorgenommen, sich auf die Suche nach dem Kind zu machen, das man ihr weggenommen hatte. Sobald sie wieder laufen könnte. Sobald ihr Zustand besser wäre. Doch der war selten gut genug, um eine Reise mit unbekanntem Ziel anzutreten. Dann sagte sie sich, sie würde losziehen, sobald sie genug Geld zusammen gespart hatte. Doch wie lange würde eine solche Wanderung wohl dauern? Und wie viel braucht man dafür? Auch das Geld schien nie genug, denn sie bekam nicht viel.
    Nach zwei Jahren war ihr aufgefallen, dass sie nicht mehr sparte und auch kaum mehr daran dachte, wegzugehen. Sie hatte einfach aufgehört, darüber nachzudenken. Ging es ihr nicht gut in Pillenreuth? Und hatte ihr Vater nicht gesagt, es wäre besser so? Ihr Vater war ein weiser Mann, der die Welt kannte. Vermutlich hatte er Recht.
    Heute wollte Luzinde nicht einmal mehr an die Welt jenseits des Waldes denken. Das Leben da draußen hatte ihr nur Kummer und Schmerzen bereitet. Sie richtete die Augen besser auf die Arbeit, die sich in ihren Händen befand, und schaute nicht nach vorn oder zurück. Sie wagte nicht zu träumen. Träume beschwerten das Herz nur mit Sehnsüchten, die sich nicht stillen
ließen. Nein, sie war zufrieden mit dem Leben, das sie besaß. Nur manchmal war es ein bisschen eintönig.
    Die Köchin Almut war nicht erfreut, dass die Mägde ohne Fisch zurückgekehrt waren. Auch die verlorenen Kräuter würden in der Küche fehlen. »Dabei hat die Meisterin ein gutes Mahl befohlen! Die neue Witwe ist da! Die Familie hat wohl ein paar Pfund Haller Pfennige für sie bezahlt, und die Meisterin wollt sie gebührend empfangen. Mutter Maria, was mach ich bloß?« Doch das Obst, das sie den dreien zusteckte, sprach davon, wie besorgt sie der Überfall an den Teichen gemacht hatte.
    Luzinde hatte der zeternden Alten kein Ungemach bereiten wollen. Wie üblich sollte die neu eintreffende Begine am Tage ihrer Ankunft wie ein Gast behandelt werden. Am nächstenTag würde sie das Gelübde ablegen, das sie auf ein Jahr an die Klause band. Manche Frauen waren freiwillig hier, doch andere wurden von ihren Familien regelrecht abgeschoben, weil sie für die Ihren nutzlos waren. Man munkelte, Letzteres träfe auf die Neue zu.
    Luzinde hätte der neuen Witwe ihr Festmahl gegönnt. Doch heute würde sie für niemanden in den Wald zurückgehen, um die Fischernte einzuholen. Gut möglich, dass dort noch weitere Bewaffnete unterwegs waren, und nicht allen konnte eine schutzlose Frau begegnen, ohne dass ihr Schaden widerfuhr. Der freundliche Herr Ulman war sicher nicht mehr dort.
    Luzinde dachte mit Wohlgefallen an den Patrizier. Er hatte eine schmucke Figur auf seinem Schimmel abgegeben und war sehr freundlich gewesen. Die Magd war froh, dass sie ihm begegnet war, und nicht dem Älteren von beiden, der wesentlich unwirscher geklungen hatte.
    »Ulman Stromer …«, murmelte sie leise, wie um den Namen auszuprobieren. Der junge Mann hatte etwas älter gewirkt
als sie selbst, sicher um die zwanzig Jahre zählend. Sein Gesicht hatte eine für einen Patrizier geradezu gesunde Gesichtsfarbe, die eher an einen Bauern oder einen Welschen aus dem Süden erinnerte als an einen Herren aus einer der Ehrbaren Familien Nürnbergs. Luzinde schloss die Augen und versuchte, sich sein Gesicht einzuprägen. Welche Farbe hatten seine Augen gehabt? Waren sie blau gewesen?
    »Hol Bärlauch undThymian, Luzinde! Dann schmeckt dieses gewöhnliche Zeugs wenigstens, als wär es was Besonderes. Und wenn die Meisterin schimpft, dann bist du schuld, lass dir das gesagt sein!«
    »Sicher, Almut«, entgegnete Luzinde. Die Köchin hatte sie noch nie bei der Meisterin angeschwärzt. Die Alte, die stets im schmuddeligen Schürzenkleid und mit heller Haube kochte, meckerte immer viel, war im Herzen aber doch eine gute Seele. Sie fühlte sich persönlich verantwortlich für alles, was in ihrer Küche geschah.
    Die Magd ging in den Garten hinter dem Gesindehaus, in dem vielerlei Kräuter für die Küche wuchsen. Der langblättrige Bärlauch war schnell gefunden, der Thymian ließ jedoch die Blätter hängen. Der kleine Thomas war offenbar seiner neuen

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