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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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Pflicht nicht nachgekommen, die Beete zu gießen, wie Luzinde stirnrunzelnd feststellte. Doch das musste niemand erfahren. Sie holte schnell einen Holzeimer, füllte ihn am nahen Brunnen, um zumindest die trockensten Gewächse zu befeuchten, damit sie nicht noch mehr litten. Sie kurbelte den Eimer gerade aus der Tiefe hoch, da trat das neueste Mitglied des Beginenkonvents aus dem Haus der Schwestern.
    Haar und Gesicht der Frau waren so gut wie ganz unter einer dunklen Witwenhaube verborgen. Noch trug sie ein für den Hof unpassendes blaues Samtkleid. Morgen würde sie die schlichte Beginentracht aus heller Wolle, den Schleier und die
Rise anlegen müssen, jenes Tuch, das auf Höhe der Ohren befestigt war und vom Kinn bis auf die Brust reichte. Die Frau streckte die Glieder und sah sich in dem kleinen Landhof um, doch sie schien nicht begeistert von dem Ort.
    »Ich habe sie eben gesehen«, meinte Anna. »Sie scheint recht jung für eine Witwe.« Die Magd trug einen Korb voll Holz für die Küche. Dann warf sie Luzinde, die hier ebenfalls als Witwe galt, einen Seitenblick zu und errötete. »Oh, ich meine … bei dir habe ich mich wohl daran gewöhnt – Witwe, kaum dass du verehelicht warst – aber die da mag doch auch bloß ein paar Jahre älter sein als du! Ob sie schon Kinder getragen hat?«
    Luzinde beantwortete dies mit einem Schulterzucken. Sie steckte eine dunkle Strähne unter das Kopftuch zurück und wollte sich gerade mit dem Eimer Wasser zum Kräutergarten wenden, da schlüpfte eine kleine Hand in die ihre.
    »Thomas«, sagte sie stirnrunzelnd und zog die Hand zurück. »Weißt du, was du vergessen hast?« Der kleine Bube von kaum fünf Sommern schüttelte zaghaft den Kopf. »Was habe ich denn hier in der Hand? Und wer ist fürs Gießen der Kräuter zuständig?«
    Kaum schuldbewusst zuckte der Junge mit den Schultern. Dann nahm er den Eimer und schleppte ihn platschend einen Schritt weit. Dann wandte er sich um. »Ich habe Hunger«, bat er. Dabei blinzelte er so leidend in die Abendsonne, wie nur ein Junge von fünf Jahren das konnte. Wieder einmal stellte die Magd fest, dass der Bube verwöhnt war. Ein Leben mit so wenigen Kindern und so vielen Frauen an einem Ort – das konnte einem Kind nur schaden! Ein merkwürdiger Neid machte sich in ihr breit. Doch sie bezwang ihn. »Wenn du mit deiner Arbeit noch vor der Messe fertig bist, bekommst du nachher einen Bissen von meinem Teil ab«, sprach sie. »Aber bis dahin machst du deine Arbeit.« Die Augen des Kleinen leuchteten,
er grinste und zog den Eimer hinter sich her, so dass der Schlagseite erhielt. Von dem Inhalt blieb kaum etwas für die Pflanzen.
    »Der Thymian,Thomas!«, rief Luzinde. Sie blickte ihm nach und schluckte schwer. Schuldgefühle vertrieben den milden Ärger. Der Bube rief Erinnerungen in ihr wach, die sie tief in sich begraben gehofft hatte. Sie wollte nicht zulassen, was da in manchen Augenblicken wieder in ihr aufstieg. In den Nächten, in denen sie nach ihrer Ankunft in Pillenreuth mit dem Fieber gekämpft hatte, hatte sie sich selbst einen Eid geleistet. Sie hatte beschlossen, dass die Ereignisse, die sie damals aus ihrem Zuhause fortgetrieben hatten, außerhalb dieser Mauern bleiben sollten, damit sie hier drinnen sicher vor ihnen wäre.
    »Sei nicht so hart mit ihm«, bat Anna mit roten Wangen. Als sie Luzindes Traurigkeit sah, wurde sie ernst. »Hast dir ein Kind gewünscht, du Arme, was?«
    Luzinde wich ihrem Blick aus und sah zu Boden. »Ja«, hauchte sie hastig und errötete. Die andere Magd nahm die Scheu für Schmerz und drang nicht weiter in sie, sondern ging das Reisig ins Haus tragen. Der Junge lief zu den Beeten hinter das aus großen Sandsteinquadern gebaute Haus, und auch Luzinde drehte sich um und wollte zur Küche zurückkehren. Der Tag war kurz, und es gab viel zu tun. Sie prallte beinahe mit der neuen Witwe zusammen, die unbemerkt hinter sie getreten sein musste. Erst jetzt, von Angesicht zu Angesicht, erkannte Luzinde, um wen es sich handelte.
    Die helle Witwenhaube und die Bitterkeit in den Zügen hatten Margaret Berainer verändert. Die hellen Augen waren härter geworden, doch das spitze Gesicht mit den schmalen Lippen war noch dasselbe.Tatsächlich war die Frau kaum älter als Luzinde selbst, ein halbes Jahr genau, dass wusste die Magd,
denn sie waren im selben Dorf aufgewachsen. Das blaue Kleid mit seidenen Stickereien zeugte von dem Wohlstand, den die Ehe ihr eingebracht hatte. Mit dumpfem Schmerz erkannte die

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