Die Lichtermagd
Umhängen gehüllt waren.
Schließlich taten sich vor den beiden Reisenden die Tore des Hradschin auf, wie Wenzel die Burg nannte. Schon von außen wirkte sie düster und prachtvoll. Als Luzinde staunend vom Pferd glitt und einen Fuß hineinsetzte, da spürte sie endlich wieder Hoffnung. Sie würde mit dem König sprechen. Und wenn sie, die Schreiberstochter aus Lindelberg, so weit gekommen war, zeigte sich darin nicht Gottes Wille?
KAPITEL 20
Caspar der Händler wusste nicht mehr ein noch aus. Mit jedem Tag stiegen seine Schulden, und jede Nacht schlief er schlechter. Bei der letzten Zinszahlung war er wieder außerstande gewesen, den Wucher des Juden zu zahlen, geschweige denn seine Schuldenlast zu verringern. Und jetzt forderte Nathan auch noch unverzüglich das Geld zurück, das er ihm geliehen hatte. Sicher, das vereinbarte Datum für die Zinsen war längst verstrichen. Eigentlich hätte er auch die Schulden längst zurückzahlen müssen. Doch wenn er das Geld nicht besaß, was sollte er dann tun? Gold scheißen? Wenn ihm der Stadtrat nicht helfen könnte, dann wusste er nicht weiter. Und so war Caspar nun auf dem Weg zum Rathaus, um dort Klage zu führen.
Caspar fühlte sich seit Wochen, als zöge sich eine unsichtbare Schlinge immer enger um seinen Hals. Nathan der Jude hatte ihm das Geld, das er brauchte, schnell verschafft. Caspar hatte gehofft, sowohl das geliehene Geld als auch die Zinsen zügig abbezahlen zu können, da seine Geschäfte gut gegangen waren und er sogar kostbare Glaswaren aus Prag bestellt hatte, die ihm hier ein Vermögen hätten einbringen sollen. Doch der Aufstand des Rates hatte ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht, das böhmische Glas war wegen des Zwistes mit dem König nie eingetroffen, der Handel zurückgegangen und das Geld durch seine Hände geflossen, ohne, dass er etwas dagegen hatte unternehmen können.Was blieb, waren die Zinsen. Caspar kam sich vor wie ein Narr, da er sich auf das Wuchergeschäft eingelassen hatte.
Seit die Anklagen begonnen hatten, schärften die Christen Nürnbergs ihren Töchtern und Ehefrauen ein, nicht allein ins Badehaus zu gehen und einen großen Bogen um die Juden und ihr Viertel zu machen. Man ereiferte sich über die Tatsache, dass die Juden sich breitmachten in Nürnberg. Sie benahmen sich, als wären sie selbst die Herren hier. Nun hatte der Rat offenbar bemerkt, dass es so nicht weiterging. Man trug die Klagen über den Wucher der Juden ins Rathaus. Dort wurden angeblich all die Beschwerden säuberlich notiert und jedem geduldig zugehört. Man sagte sogar, ein Mann sei erkrankt, nachdem ein Jude am Brunnen getrunken habe! Noch vor einem Jahr wäre man für weniger schlimmes Gerede vor Gericht gestellt worden, wie mit Romer dem Schneider geschehen. Heute aber hörte der Rat zu. Der Wind hatte sich gedreht.
Ohne sich dessen bewusst zu sein, hatte Caspar einen kleinen Umweg gewählt, die Gasse hinter dem Dominikanerkloster, und trat nun auf die Straße, die rechter Hand hinauf zur Burg, linker Hand hinunter zum Rathaus führte. Hier kam der Krämer an der Stelle vorbei, an der er sonst seinen Marktstand hatte. Er hielt inne, als er die Ecke sah, wo er der Bettlerin begegnet war. Er erinnerte sich, er hatte ihr einen Pfennig gegeben. Sie hatte den Groschen des alten Juden abgelehnt, obwohl sie recht verzweifelt gewirkt hatte. Was er ihr aus lauter schlechtem Gewissen gegeben hatte, war nur ein Bruchteil dessen gewesen. Er dachte zurück an seine eigene Situation und wünschte, es wäre jemand für ihn da gewesen so wie er damals für sie. Jemand, der ihn vor dem Wucher der Juden hätte warnen können. Doch wenn er ganz ehrlich mit sich war, dann hätte ihm Romers Beispiel Warnung genug sein können. Eigentlich hätte er es besser wissen müssen. Und das ärgerte ihn am meisten.
Bei dem Gedanken an die Bettlerin wurde Caspar ganz warm. Bei aller Verzweiflung hatte ihr eine gewisse Forschheit in den Augen gestanden. Andere ihres Standes hatten einen leeren Blick, der besagte, dass ihr Los sie innerlich schon ganz stumpf gemacht hatte. Dieses Mädchen war anders gewesen. Doch auch sie hatte schließlich nachgegeben und war in des Juden Dienste getreten. Er dachte zurück an seine Frau Kungunt, die sechs Mäuler zu stopfen hatte und nicht mehr wusste, woher sie das Geld dafür nehmen sollte. Sowohl der stumme als auch der manchmal sehr beredte Vorwurf nagten an dem Krämer, der seine klagende und bangende Frau bisweilen nur mit einer
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