Die Lichtermagd
weg wollen«, stellte er fest.
» Wir werden sie abschlachten lassen, Ulman. Wir werden selbst ein Auge auf die Söldlinge haben müssen, damit auch danach alles seinen Gang geht.«
»Danach?«, fragte Ulman leise, obwohl er die Antwort ahnte.
» Wir machen ein Ende.« Hosto Stromer hielt den Blick fest auf den Hof und die benachbarten Häuser gerichtet. »Zu Sankt Nikolaus wird es in Nürnberg keine Juden mehr geben.«
KAPITEL 28
In den frühen Morgenstunden des fünften Dezember 1349 lag frisch gefallener Schnee über der Stadt an der Pegnitz. Er lag auf den in der Nacht erkalteten Dächern. Er lag in den schmalen Gassen. Er lag auf den Türmen der Stadtmauer und auf den Schrägen der Kirchenhallen. Die Pfützen waren leicht überfroren; die durch Karrenräder tief eingepflügten Straßen wirkten durch die geschlossene Schneedecke beinahe unberührt. Nur die Schlote der Backöfen und Essen dampften in den klaren Himmel und tauten Löcher in das Weiß; und die feuchten Straßen an der Flussniederung fransten an den Rändern dunkel aus. Doch der friedliche Eindruck trog mehr denn je.
Die Situation in Nürnberg glich bereits seit Tagen einem Pulverfass mit brennender Lunte. Gruppen von Männern waren singend von Judenhaus zu Judenhaus gezogen und hatten Steine hineingeworfen. Stadtfremde Juden, kenntlich an ihren gelben Überwürfen, waren verprügelt und in die eiskalte Pegnitz geworfen worden. Jene, die das Nürnberger Bürgerrecht erworben hatten, sperrten sich in ihren Häusern ein und wagten sich nur noch in größeren Gruppen auf die Straße. Die Synagoge, von den Christen als heiliger Versammlungsort der Juden angesehen, war mit Pferde- und Schweinemist besudelt worden. Je näher das Fest des heiligen Nikolaus rückte, desto dichter wurde das Netz der Gewalt.
Die Sonne war im Osten noch kaum zu erahnen, als ein langgestreckter Zug durch die Gassen zog. Mehrere Dutzend Männer mit zusammengeraubten Waffen und grimmiger Miene
näherte sich dem Laufer Tor mit knirschenden Schritten von Sankt Sebald her. In den gegen die Kälte mit Lappen umwickelten Händen trugen sie Morgensterne und Schwerter, Spie ße und Hämmer. Ihr Anführer, ein Mann mit vernarbtem Gesicht, der ein beschädigtes Kettenhemd trug, wies ihnen mit Handzeichen ihre Plätze zu.
Zwischen ihnen ritten zwei Männer auf hellen Pferden, der eine auf einem weißen Hengst, der andere auf einer Grauschimmelstute. In der durch den Schnee merkwürdig leuchtenden Dunkelheit wirkten sie selbst wie Nebelschwaden. Unter ihren Umhängen glitzerten wohlgepflegte Rüstungen und mit Juwelen geschmückte Klingen. Sie hielten die sich unruhig bewegenden Tiere mit einer fein behandschuhten Hand geübt am Zügel, die andere lag jeweils locker auf dem Oberschenkel. Obwohl der eine Mann blond, der andere dunkel war, glichen sie einander in dieser Pose wie Vater und Sohn.
»Wir sind gleich da, Ludewich«, verkündete Hosto Stromer dem Söldnerführer. »Deine Männer sollen sich also rechts und links von der Straße verbergen, damit wir auf die Judenwagen warten können.«
»Und der Pöbel? Ihr habt gesagt, der Pöbel will auch etwas zu schlachten haben. Müssen wir auf die Leute warten?«
»Der Pöbel wird heute das Judenviertel plündern, Ludewich. Von diesen Wagen wissen sie nichts. Aber hinterher wird es so aussehen, als wären die Juden von der aufgebrachten Menge erschlagen worden.« Hosto grinste. »Ich habe mit Sankt Ägidien alles geregelt. Die Seitenpforte ist offen, so dass ihr dort hinter der Mauer warten und euch hinüberschwingen könnt, wenn sie kommen. Am Tor solltet Ihr …«
»Oheim, sieh«, unterbrach Ulman Stromer ihn und verhielt sein Pferd. »Sie sind schon da.« Er wies mit der behandschuhten Rechten auf den Schemen eines Wagens, vor dem zwei
Gäule standen und deren Ohren bei den merkwürdigen Geräuschen aus der Dunkelheit nervös spielten.
»Schon da?«, grunzte Hosto. »Aber die sollten sich doch erst nach Sonnenaufgang sammeln.« Er zögerte nur kurz. »Wir müssen uns eilen, damit die Juden nicht gewarnt werden.«
»Na das fängt ja gut an. Kaum da und schon geht der Plan schief«, grunzte der Söldnerführer und zischte seinen Leuten Befehle zu. Sofort brach große Hektik aus. Die Männer nahmen ihre Waffen vor, schoben Rüstungsteile und Helme zurecht und hasteten dann geduckt fort, um sich entlang der Straße zu verteilen. Man wollte den Zug von rechts und links angreifen, damit niemand entkommen konnte.
Währenddessen zogen
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