Die Lichtermagd
alle.
Nehmt euch an Münzen und Schmuck, was ihr finden könnt. Und glaubt mir – die Juden sind reich.« Er machte eine kleine Pause und funkelte die Kriegsleute an. »Doch derjenige von euch, den ich dabei erwische, wie er etwas niederbrennt, baumelt morgen auf dem Galgenberg, verstanden?«, rief er so laut, dass auch der letzte von ihnen es hörte. »Also worauf wartet ihr noch?«
»Los, Männer!«, rief Ludewich. Doch bevor er ging, wies er mit dem Finger noch auf Hosto Stromer. »Wehe, wenn wir leer ausgehen!« Dann stürmte die Rotte durch die Straßen und trug den Kampf ins Herz der Stadt Nürnberg.
»Hättest du ihnen nicht noch sagen sollen, die Leute von Romer dem Schneider am Leben zu lassen?«, fragte Ulman, als sie weg waren. »Die Söldner sind viel besser ausgerüstet als die Handwerker.Wenn es um saftige Stücke geht, schlagen die sich doch gegenseitig tot.«
»Dann regen sie sich wenigstens aneinander ab«, grunzte Hosto. »Das Kriegsvolk zündet uns sonst noch die Dächer an. Aber vielleicht haben wir Glück.« Er wies auf die Wagen. »Die Juden wissen, dass wir kommen. Das hier hat ihnen Zeit verschafft.«
»Das heißt, du hoffst, dass die Söldner dabei draufgehen?«
Hosto nickte. »Die Juden werden Widerstand leisten. Und jeder tote Söldner bedeutet, dass weniger Gold aus der Stadt getragen wird.« Er schnalzte mit der Zunge, um sein Pferd in einen vorsichtigen Trab zu versetzen. »Komm. Wir sollten uns auch auf die Suche machen. Irgendwo müssen die Juden ja hin sein.«
In den Straßen Nürnbergs wütete der Tod. Bei Sonnenaufgang brach die Menge um den einäugigen Schneider Romer in das erste Haus an der Fleischbrücke. Mit Knüppeln, Messern und
anderem Werkzeug bewaffnet drängten sie sich um die Tür, warfen die Butzenglasscheiben ein, rissen die Läden herunter und pissten gegen die Mauern. Als der Strom vor dem Eingang stockte, spaltete sich die Meute wie ein Fluss an einem Stein und schwappte weiter, zum nächsten Haus.
Romer spürte, dass die Menschen bereit waren. Die Stimmung fühlte sich beinahe an wie die drückende Schwüle vor einem Gewitter, die darauf wartete, sich endlich in Blitz und Donner zu entladen. Und die Menschenmenge, die bereits seit Wochen nach dem Blut der Juden gierte, brach endlich über deren Häuser herein.
Zusammen mit den wütenden Leuten trat Romer im ersten Haus alle Türen ein, stach in jedes Bett, durchwühlte alle Kisten und Schränke. Er heulte enttäuscht auf, als es nicht nur niemanden abzustechen, sondern nicht mal etwas zu holen gab – nur bekritzeltes Pergament, weiße Laken und Unmengen von Möbeln und Steingut. Sicher, es gab für seine Verhältnisse kostbare Kleider und Möbel sowie etliche Kleinigkeiten, die man versetzen konnte. Doch wo war das Gold?Wo die Juwelen?Wo waren die Pfänder der Kirchen und Klöster, der Könige und Kaiser? Romer musste sich mit aller Macht davon abhalten, nicht nach einer Fackel zu schreien, um das Haus niederzubrennen. Doch der Schneider wusste, dass Ulrich Stromer ihm dann bei lebendigem Leib die Haut abziehen lassen würde. »Reißt alles nieder! Haut es kurz und klein!«, gellte seine Stimme durch die leeren Kammern. Und dann stürmten sie weiter.
Ein paar Häuser später – die Sonne beschien die so unberührt weiß gezuckerte Stadt inzwischen mit tiefstehenden morgendlichen Strahlen – brach die Meute durch eine Tür, hinter der sich Leute verbarrikadiert hatten. Romers Blut war so sehr in Wallung geraten, dass er jede Vorsicht vergaß. Den Männern um ihn herum erging es genauso – denn aus dem Gebäude
wurden entsetzte Scheie laut und das Weinen von Kindern. Endlich, endlich würden sie tun, weswegen sie gekommen waren. Sie würden Juden schlachten.
Sie fielen mit der Tür ins Haus, während eine zweite Gruppe an der Hintertür arbeitete und eine andere durch den Kellereingang zu kommen trachtete. Romer brach in Triumphgeschrei aus, als er sah, dass diese Juden nicht nur nicht geflohen waren, sondern auch ihren Besitz nicht weggeschafft hatten. Er griff sich einen Silberkelch und stopfte ihn in den mitgebrachten Beutel, langte nach einem goldenen Kerzenleuchter und räumte eine fein geschnitzte Dose ab. Er hoffte, die anderen hatten ihn nicht gesehen, denn bei solchen Plünderungen kam es schnell zu blutigen Streitereien.
Die Männer um ihn herum rannten in den Keller, doch Romer flog die Treppe hoch. In den Kammern der Juden wären nicht nur weitere Wertsachen, sondern auch die
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