Die Lichtermagd
müsse er etwas nachrechnen. Dann grinste er, blickte seinem Gegenüber fest in die Augen und sagte: »Zehn Pfund Haller pro Kopf.«
»Zehn Pfund?«, rief Mose aus. »Des sind ja finfzen Tausend Pfund Haller fir alle Jidenen, wie sie hier in Nirnberg sind! Ihr seid ja irsinig! Damit beraubt’er uns schon des Geldes, das wir fir eine neue Heimat netig haben!«
»Ob Ihr in Regensburg, Mainz oder Speyer oder wo immer ihr hinzieht unter goldenen Dächern oder unter Brücken schlaft, kann mir doch scheißegal sein!«, brach es aus Hosto Stromer hervor. »Zehn Pfund pro Kopf!«
Mose holte tief Luft. »Wir zalen Euch finf Pfund Haler.«
»Sieben einhalb pro Kopf. Das ist mein letztes Wort.«
»Kennen wir dann unsere Sachen packen und ordentlich aus der Schtot faren?«
Der blonde Mann runzelte die Stirn. »Ich denke, das bekommen wir hin. Mit dem Geld können wir zusehen, dass wir genug Büttel und Gassenhauptleute zusammentrommeln, um Euch ein sicheres Geleit durchs Tor zu ermöglichen.«
»Dann sind wir uns einig.« Mose reichte Hosto die Hand. Der schüttelte sie fest.
»Ihr werdet sehen – so ist es für alle ein Gewinn«, meinte er
lächelnd. Dann stand er auf. »Sagt Euren Leuten, dass jede Familie einen Wagen mit dem Nötigsten mit sich führen darf. Ihr werdet alle gemeinsam fahren. Alle werden durch das Laufer Tor hinausgelassen, damit wir für die Sicherheit sorgen können. Wer nicht bei Sonnenaufgang von …«, er dachte kurz nach, »vom Vortag von Sankt Nikolaus bereitsteht, muss dableiben. Dann garantiere ich für nichts. Wer aber dort ist, der wird aus Nürnberg ausziehen können, so für ihn die vereinbarte Summe von sieben einhalb Pfund Haller bezahlt wird.«
»Der finfte Dezember?«, wandte Mose aufgebracht ein. »Das is der Schabbat, und das wisst er genau! Am Schabbat bricht nimand auf eine Reise auf!«
»Wollt ihr nun fort, oder wollt ihr’s nicht? Die Wahl zwischen Glaube oder Leben sollte doch einfach sein, oder?«
Mose schien eine Antwort herunterzuschlucken. »Und es sind noch drei Tage, die wer in Nirnberg aushalten missen!«
»Manche von Euch haben es hier drei Jahrzehnte ausgehalten – und jetzt habt Ihr es eilig?«, fragte Hosto Stromer belustigt. »Seht es doch so. Ihr habt drei Tage zum Packen. Das sollte euch doch glücklich machen, oder?«
»Drei Tage also«, nickte Mose kühl. »Wir werden da sein.«
Damit waren die Verhandlungen beendet, und Mose wandte sich zum Gehen. Luzinde aber zögerte.
Ulman folgte ihnen zur Hoftür und machte Anstalten, sie hinter ihnen zu schließen. Die Magd nutzte diese Gelegenheit. »Herr Ulman, ich -«
»Du bekommst dein Kind nicht«, erwiderte Ulman kühl. »Es ist meine einzige Versicherung.«
»Bitte«, flüsterte sie eindringlich, »bitte, Ulman, ich -«
»Die Zeit zum Packen ist kurz«, sagte Ulman. »Ihr solltet sie nutzen.« Damit schob er die Tür zu.
»De Leit missen alarmiert werden«, stieß Mose hervor, als sie ins Haus zurückkehrten. »Und de Torarolle muss weggeschafft werden.«
»Das kannst nur du tun, Mose«, sagte Rebekka.
»Kennen wir im trauen?«, fragte Rosa.
»Natürlich können wir ihm nicht trauen«, knurrte Wenzel.
»Aber wer missen«, schloss Mose und ging hinein.
Luzinde war noch ganz benommen von Ulmans kalter Unnachsichtigkeit. Als sie mit Wenzel und Rosa ins andere Haus gehen wollte, hielt Rebekka sie zurück. »Wo wirste hingeen, wenn das aless forbei ist?«
Luzinde zuckte mit den Schultern. Ihre Zukunft war so unbestimmt wie eh. »Ich weiß es nicht«, meinte sie. Ihr Blick schweifte zu Wenzel hinüber. Er beobachtete sie. »Ich habe ein wenig Geld.Vielleicht kann ich in den Klarissenkonvent gehen und dort eine Weile bleiben.« Bis sie einen Weg gefunden hatte, ihren Sohn zu finden zumindest.
Rebekka zog die Brauen hoch. »Aber de weißt schon, dass die Tante von Ulman Schtromer do als nechste Oberin bestimmt wird? Meinst, da biste sicher?«
Aber natürlich! Ulman hatte ihr davon erzählt. Jetzt verstand sie auch die Spende, die er im Klarissenkonvent abgegeben hatte. Die Tante, von der Ulman gesprochen hatte, war die Nonne, die Margaret die Stellung gegeben hatte.Wie hieß sie noch? Elisabeth? Ein Schauer fuhr ihr den Rücken hinunter. Irgendetwas an der Frau war ihr bekannt vorgekommen. Sie legte die Stirn in Falten.
»Nein, dort kann ich wohl kaum bleiben«, meinte sie befangen. »Aber dann weiß ich auch nicht wohin.« Sie sagten einander schweren Herzens gute Nacht.
Luzinde hielt im
Weitere Kostenlose Bücher