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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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Aus einem Haus huschte eine Magd heraus und rempelte Luzinde an, schüttelte verärgert den Kopf und hastete weiter. Überall herrschte rege Betriebsamkeit.
    Wohin sollte sich Luzinde nun wenden? Wo sollte sie beginnen? Sicher würde es für jemanden, der harte Arbeit nicht scheute, irgendwo eine Anstellung geben. Doch die fremde Welt stürzte sie in Verwirrung, und so hielt sie es für Fügung, dass ihre Schritte sie zu einem Gotteshaus lenkten. Und was für ein Gotteshaus das war! Eine riesige Basilika aus Sandsteinquadern ragte über die darum herumliegenden Häuser auf und zwang sie so in ihren Schatten. Sie war teilweise von Baugerüsten
umgeben, denn offenbar wurden an der Westseite, die zu Luzinde wies, zwei Türme aufgesetzt und eine Fassade höher gezogen. Momentan arbeiteten Steinmetze an etwas, das aussah wie eine riesige Rosette aus hellem Stein. Seitlich leuchteten die spitzbogigen Butzenglasscheiben der Kirche im Sonnenschein und stellten den Reichtum ihrer Erbauer dar. Selbst ein auf der gegenüberliegenden Ecke stehender wuchtiger Wohnturm aus rotem Sandstein und drei gemauerten Geschossen, an sich schon ein gewaltiges Haus, wirkte dagegen klein. Die Kirche hatte in Luzindes Augen etwas Beruhigendes, gar etwas Tröstendes.
    »Das ist Sankt Laurentius, Dummchen!«, lachte eine zahnlose Alte, die mit einem Korb voll Gemüse am Markt saß, auf Luzindes Frage. »Die reichen Schmiede gehen hier zur Messe, und ein paar der Ehrbaren Familien!« Sie wies zu dem Wohnturm hinüber.
    Eine Reicheleutekirche! Luzinde wäre dort sicher nicht willkommen. Sie sah sich um. Die große Kirche und der wuchtige Wohnturm standen auf der Kuppe der sanften Steigung, der sie gefolgt war. Wenige Schritte nach Norden fiel der Boden gen Flussufer ab. Sah man aber über den Fluss hinweg, über die vielen krummen Dachbalken der kleinen und großen Häuser, die sich im Herzen der Stadt befanden, blickte man genau auf die Mauern der trutzigen Kaiserburg Nürnbergs. Der große runde Turm, der den höchsten Punkt des ganzen Landes bildete, ragte stolz in den Himmel. Irritiert schaute Luzinde die Straße nach Süden hinunter.
    »Warum wird unten vor der Stadt ein Feldlager aufgebaut, wenn es doch eine große Burg in der Stadt gibt?«, fragte sie die Alte.
    »Der König kommt bald, das weiß doch jeder. Die feinen Herrschaften müssen sich erst einigen.«

    »Einigen? Worüber?«
    »Wem die Stadt gehört. Wem die Burg gehört – dem Rat, dem Burggrafen oder dem König in Böhmen. Und wie viel Köpfe rollen müssen. Wegen des Aufstands«, erklärte die Alte ihr mehr oder minder geduldig. »Die hohen Herren sollten dem König schnell die Füße küssen, wenn du mich fragst. Damit wir wieder die Messe feiern können!«
    »Warum feiert ihr die Messe nicht, Alte?«, fragte Luzinde erstaunt.
    »Wir feiern sie schon, Dummchen. Aber eigentlich dürfen wir’s nicht, und die Priester sollen auch das Abendmahl nicht halten. Weil der Rat doch zum Kaisersohn Ludwig hält, und der ist vom Papst gebannt wie sein Vater vor ihm und alle seine Städte mit ihm. Deshalb dürfen wir die Messe nicht feiern, so wie früher, als der Bayer noch Kaiser war.«
    »Das ist schlimm«, meinte Luzinde. Sie wusste, wovon sie sprach. Als ihre Schwangerschaft zu Hause in Lindelberg bekanntgeworden war, hatte der Priester sie damals von den heiligen Sakramenten ausgeschlossen. Auch sie hatte dafür einen Ausweg gesucht und sich in Pillenreuth, geschützt durch ihre Lügen, einen Platz in der Messe und beim Abendmahl verschafft. Doch in ihrem Innersten wusste sie, dass, wenn sie auch den Priester und die Meisterin Elisabeth getäuscht hatte, Gott alles sah und alles erfuhr – auch ihre Sünde.
    Luzinde ließ sich lieber den Weg zum Klarissenkonvent weisen, der die Straße hinunter – »gen Galgenbaum, Kindchen!« – außerhalb der Mauern lag, und machte sich auf den Weg. Das Kloster lag in der Nähe des Franziskanerkonventes. Es lag geduckt und massig hinter seiner Mauer, wie flach auf den Boden gedrückt. Nach außen besaß es nur wenige Scharten, denn es lag ja nicht im schützenden Kreis der Mauer. Auch
die dazugehörige Kirche wirkte niedrig und bescheiden gegen die hoch aufstrebende Basilika des heiligen Laurentius. Die dicken Steine ließen kein Geräusch aus dem Innern nach außen dringen. Doch als die Magd zögernd an eine der Türen klopfte, da hallte der Klang dumpf im Innern wider. Die Tür wurde einen Spaltbreit geöffnet.
    »Grüß Gott«, begann Luzinde.

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