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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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schlichte Tunika aus fleckiger Wolle war an einer Stelle mit Pergament ausgebessert und zeichnete sie als Gesinde aus. Luzinde schloss, dass es wohl dasselbe Kind war, das ihr vorhin die Tür geöffnet hatte. Als die junge Frau bedrückt hinunterschaute, versuchte das Mädchen von vielleicht vier Jahren ein kleines Lächeln. Also riss Luzinde sich zusammen, nickte,
so freundlich es ging, und griff nach dem dargebotenen Getränk.
    »Ich dank dir. Wie heißt du?«
    Das Kind zierte sich einen Augenblick, doch als Luzinde getrunken hatte, da legte sie in ihrer Kleinkindmanier fast würdevoll die Hand auf die Brust und meinte: »Ich bin Hannchen. Und wer bist du?«
    »Luzinde.«
    »Bist du hungrig?«, fragte die kleine Hanna in so erwachsenem Tonfall, wie sie eben konnte.
    Die Magd sah sich im Innenhof des Klosters um. Die Mutter Oberin war nirgendwo zu sehen. Doch sie wollte die Freundlichkeit dieses merkwürdigen Mädchens nicht ausnutzen. »Ich glaube kaum, dass die -«
    »Jeder bekommt einmal Haferbrei mit Speck«, erklärte Hanna in lehrhaftem Tone. »Musst nur drum bitten.«
    Oh ja, inzwischen war Luzinde hungrig. Sie hatte zwar von der Köchin Almut ein Brot und etwas Käse zugesteckt bekommen. Wenn sie damit sorgsam umging, würde es sie ein, zwei Tage vor dem Verhungern bewahren. Doch nun, da sie nicht wusste, wie sie sich demnächst ihr Essen verdienen sollte, war sie dankbar, ihre Vorräte schonen zu können.
    »Warum bist du so nett zu mir?«, fragte Luzinde beinahe misstrauisch. Dieses Kind erschien ihr gleichzeitig weise und sehr naiv.
    »Bist du nun hungrig?«, hakte die Kleine nach, ohne ihr zu antworten.
    »Ja«, sagte sie mit noch immer vor Enttäuschung bedrückter Stimme. »Aber -«
    »Bittest um Speisung?«
    Luzinde seufzte. »Ich bin hungrig und bitte um Speisung.«
    »Darum«, feixte das Mädchen und sprang davon.

    Und so erhielt Luzinde im Kloster der heiligen Klara immerhin eine Mahlzeit, bevor sie zurück auf die tiefgefurchte und schlammige Straße musste.
     
    An diesem und dem nächsten Tag lief sich Luzinde in der Stadt die Füße blutig. Sie klopfte an die Tore sämtlicher Klöster Nürnbergs und bot sich als Küchenhilfe oder Stallmagd an. Doch die Franziskaner, Dominikaner, Schottenmönche und die Deutschherren wollten sie genauso wenig wie Sankt Katharinen, das Sankt-Elisabeth-Hospital oder das noch junge Heilig-Geist-Spital, das am sumpfigen Pegnitz-Ufer thronte. Manche hatten genug Gesinde oder nahmen keine Frauen. Andere suchten jemanden, doch spätestens, wenn sie ihre Ortsunkenntnis zugab oder keinen Leumund benennen konnte, schickte man sie fort. Es gab genug Mägde, die hier aus Nürnberg stammten und ausreichend Zeugen für ihre Ehrlichkeit vorbringen konnten. In diesen Zeiten wollte niemand eine Fremde anstellen.
    Vom Heilig-Geist-Spital an der Fleischbrücke traute Luzinde sich dann auch weiter in das reiche Nordviertel der Stadt. Es lag um Sankt Sebaldus herum direkt zu Füßen der Kaiserburg. Die hoch aufragenden Häuser und Kirchen aus Stein ließen die Gassen darunter umso schmaler und dunkler wirken. Eilig strebende Menschen flößten ihr den Eindruck ein, als sei sie der einzige Mensch, der keinen Platz in der Gesellschaft besaß, und sei es als Bettlerin auf einer der Kirchenstufen.
    Ganz Nürnberg befand sich, wie Luzinde schon am Tage ihrer Ankunft bemerkt hatte, in einem Zustand höchster Erregung. Immerhin stand das Heer König Karls vor den Mauern! Zunächst konnte sie nicht so recht ausmachen, ob sich die Menschen in freudiger oder ängstlicher Erwartung befanden –
nur um schließlich festzustellen, dass es wohl von beidem etwas war. Sie erfuhr, dass ein Kreis aufständischer Ratsherren dem König über mehr als ein Jahr die Stirn geboten hatte. Nun würde er kommen, um die Schuldigen zu finden und die Reichsstadt wieder unter seine Herrschaft zu bringen. Also fürchtete man den König, denn er würde, wenn nicht noch ein Wunder geschah, Nürnberg sicher für diesen Verrat bestrafen.
    Gleichzeitig sehnte man König Karl aber herbei. Luzinde war die Stadt auf den ersten Eindruck reich und geschäftig erschienen, doch bei näherem Hinsehen blieb so manche Esse kalt und der Markt, der sich in der schmalen Straße von der Fleischbrücke zur Burg hochzog, nur dünn bestückt. Vom König erhoffte man sich, dass der Handel wieder in Schwung kam. Eine beinahe ebensolche Bedeutung aber hatte, dass Karl ein Liebling von Papst Clemens VI. war. Mit der Rückkehr in

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