Die Lichtermagd
es einfach gescheen lassen – warum uns Bescheid geben?«, fragte Nathan von Grevenberg misstrauisch.
»Ja, des frag ich mich auch!«, ereiferte sich Eberlein. Der Mann war alt und gebeugt, dabei dürr wie ein Ast. Er trug nur noch einen grauen Haarkranz auf dem Kopf, dazu einen Vollbart. Ständig knetete er die Hände, bis die Knöchel weiß hervortraten, besonders, wenn er die anderen mit verzweifelter Fürsprache überzeugen wollte.
»Warum sollte ich Euch anlügen? Ich habe doch nichts davon.«
»Nein, de selbst meglicherweise nit. Aber wenn des ein List is, uns die Heuser ze nemen? Ohne, des wir dafir auch nur ein miden Pfennik seen? Vielleicht zalen de Heren im Rat dir dann unser Geld? Hm?« Nathan musste beinahe so alt wie Gottschalk sein, doch er wirkte deutlich kraftvoller. Das schlohwei ße Haar unter der Kappe fiel ihm noch dicht auf die Schultern, und die dunklen Augen unter den buschigen weißen Brauen fi xierten Luzinde, als sei sie ein Insekt.
»Das stimmt!«, sprang Eberlein ein. »De Leit vom Rat woln doch seit Jar und Tag unsere Heiser kaufen. Besonders in den lezten Wochen! Des is nur ein weitere List, darum ligt se, das Waib.«
»Aber was, wenn se nicht ligt?«, fragte Ysaac von Schesslitz, Gottschalks Nachbar. Ihn hatte Luzindes Bericht leichenblass werden lassen.
»Aber des ergibt doch aless gar keinen Sin«, widersprach Eberlein vehement. »De Krischten brauchen uns. Der Rat von Nirnberg will unser Geld, und darum lasst’er uns am Leben. So einfach is des.«
»Bist’e bereit, dein Leben darauf ze setzen, Eberlein?«, fragte Ysaac nachdenklich.
»Sicher bin ich’s!«
»Ich bin’s auch«, unterstützte ihn Nathan gereizt. »Sogar mer – ich sag, wir geben den Mannen heimlich Schwerter aus, Spieße, und Armbriste. Ich hab einen Vorrat, in meinem Keller. Wir kennen auch noch mer kaufen. Dann kennen wir den Krischten zeigen, das Nirnberg auch ein Schtot der Jidenen is!«
»Kempfen?«, fragte Mose beunruhigt. »Wir dirfen keine Wafen tragen. Und so schlimm wird’s ja nit sein, nit?«
»S’ wird gar nit schlim, Mose!« Eberlein funkelte Luzinde an. »Nur weil dis Waib uns iberreiden wil, dass de Rat gegen uns ze Felde ziht, nur deshalb soln wir mit Kind und Keit aus de Schtot ausfarn? Ich glaube nit!«
»Ich hab’s nur gut gemeint, ihr Herren«, sprach Luzinde wütend. »Ich -«, sie hielt inne, denn Gottschalk, der bislang geschwiegen hatte, legte ihr die Hand auf den Arm. Seine grauen Augen baten sie, einen kühlen Kopf zu bewahren. Also verstummte Luzinde.
»Aber des Gered vom Kempfen«, griff Eberlein gehetzt Nathans Rede wieder auf, »des solt’n wer lassen. Des is ein Ferschtos gegen de Gesetz des Rates!«
»Und Adonai verhit, das wir die Gesetz des Rates brechen«, murmelte Ysaac trocken. Luzinde mochte Rosas Ehegemahl von Augenblick zu Augenblick mehr.
»De Rat is mir wurscht«, knurrte Nathan von Grevenberg hart. »Ich hab mir nicht mein Leben lang den Arsch aufgerisen, um mir mein Geld von ein paar girigen Birgern wider nemen ze lassen. Ich werd mein Haus fartaidigen, mit Schwert und Blut, wenn’s sein muss.«
Der Judenrichter knetete wieder seine Hände. »Des is nit waise, mein Freind«, murmelte er, »nit waise.«
»Des is nachgerad ein Narischkeit«, verkündete Ysaac kopfschüttelnd.
»’s is Zeit, des wir zeigen, des wir nit werlos sind!«, fuhr Nathan ihn an.
»Wir sind nit werlos, Nathan«, versuchte Ysaac ihn zu beruhigen. »Wir megen file sein, hier in Nirnberg – aber de Krischten sind immer mer. Und wenn’s auch nur des kleinste Gerede gibt dariber, dass ein Krischt von eines Jidenen Hand gefellt wurde …« Er vollendete seinen Satz nicht.
Doch Gottschalk tat es für ihn: »Dann brennen unsere Heiser
erst richtik.« Offenbar hatte seine Stimme bei den anderen Gewicht, denn sie verfielen sofort in nachdenkliches Schweigen.
Schließlich hob Eberlein zaghaft die Stimme. »Also, geen wer doch einfach nach Haus. Ich red mit dem Hosto Stromer. Der is’ ein guter Man, uns Jidenen nit faindlich. Auch wenn ich mich farschemen werd, ihm so ein Narischkeit auch nur erzelt ze haben. Der wird mir sagen, Eberlein, wird er sagen, de bist ein Narr. Warum sollt ich erst fer dich birgen, damit de in de Schtot leben kannst, und dann will ich dich wider los sein? Farschemen sollt’st de dich.«
»Nit ein Wort wirste ihm sagen, Eberlein«, brauste Nathan auf. »Wenn’s war is, muss er nit wissen, das wir gewarnt sind. Wenn’s ein Lige ist«, er warf Luzinde
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