Die Lichtfaenger
versichern, »ich wollte damit nur sagen…«
Wieder schnitt ihm der Weihbischof das Wort ab. »Da, seht selbst!« Er deutete herrisch auf einen Seitentisch, auf dem sich geordnete Papierbündel stapelten. »Alles Prozessakten! Ich würde sie Euch gern zur Verfügung stellen, wenn ich sie nicht selbst benötigte. Ich kann Euch versichern, Ihr würdet bald anders darüber denken! Hier in Trier wird immer noch zu wenig gegen dieses Laster unternommen. Praktisch vor unserer Haustür, in Sankt Maximin, wird viel härter vorgegangen!
Gerade haben sie dort wieder eine Reihe von
Teufelsbündnerinnen gefangen genommen!«
Gedemütigt trat Cornelius Loos auf die Straße und spürte nicht den Regen, den ihm der kalte Wind ins Gesicht blies.
Vom Hörensagen wusste er, dass es Rivalitäten mit Sankt Maximin gab. Wen konnte er dazu befragen? Zuerst dachte er daran, bei Flade vorzusprechen, verwarf aber den Gedanken.
Der würde sicher nur wolkig um den Brei herumreden und sich auf nichts festlegen. Der Domprediger Lukas Ellentz? Ja, der war eher der Richtige. Zum einen war er ein eifriger Befürworter der Verfolgungen, zum anderen Flades
Beichtvater und damit so etwas wie sein Vertrauter. Oder der Doktor Macherentius, gleichfalls von den Jesuiten? Dieser hatte Barbara von Nittel auf ihrem letzten Gang begleitet und unterstützte die Forderungen der Bürgerschaft nach der Bildung von Hexenausschüssen, für die auf Sankt Maximiner Gebiet bereits Geld gesammelt wurde und die dort schon eifrig unterwegs waren.
Loos hielt auf das Jesuitenkolleg zu, wo er an die Pforte klopfte. Nein, Bruder Macherentius sei nicht da, hieß es, aber Pater Lukas sei soeben zurückgekommen und er solle bitte im Besucherzimmer vorlieb nehmen.
Lukas Ellentz war von kleiner, gedrungener Statur und was als Erstes auffiel, war sein hochroter Kopf. Seine hohe Stimme klang gehetzt und auch in seinem Blick war eine rastlose Unruhe. Wie Wild, wenn es eine Gefahr wittert, dachte Loos.
»Es freut mich, Euch hier zu sehen. Ich fühle mich zwar geehrt, dass Ihr nach mir verlangt habt, weiß aber nicht, womit ich Euch helfen könnte!«
»Ich komme gerade von seiner Exzellenz, dem Weihbischof, und hätte ein paar Fragen, die Ihr mir als Kenner der örtlichen Gegebenheiten sicher beantworten könnt. Es gibt da offensichtlich Spannungen zwischen Trier und Sankt Maximin, die gerade jetzt mit den Hexenverfolgungen wieder zunehmen.
Zudem sind die Maximiner allem Anschein nach eifrigere Verfolger als die Trierer. Ihr seid schon lange hier und als Beichtvater bei einer Reihe von Hinrichtungen dabei gewesen.
Deswegen komme ich zu Euch!«
Pater Lukas schien einen Augenblick nachzudenken. »Das ist eine etwas verworrene Geschichte. Das Amt der Abtei Sankt Maximin hatte von alters her eigene Hochgerichte mit eben Sankt Maximin, Detzem, Fell und Oberemmel. Als
Reichsabtei, die nicht einem Landesherrn, sondern dem Kaiser untersteht, sieht sie sich selbst als souveränen Landesherrn.
Aber 1570 erging ein Urteil des Reichskammergerichts, wonach die Abtei der Landeshoheit und damit die Gerichte dem Trierer Kurfürsten zu unterstellen seien, woran sich aber bis heute in Sankt Maximin niemand hält. Zwar leistete der jetzige Abt Rainer Biewer Kurfürst Johann VII. einen Treueschwur, aber er versteht sich dennoch wie schon seine Vorgänger als rechtmäßiger Landesherr. Es ist also ein Kampf zwischen Kurtrier und der Abtei. Was die Lage nicht einfacher macht, ist der Umstand, dass der Kurfürst zugleich Erzbischof und daher in geistlichen Belangen Sankt Maximin vorgesetzt ist.«
»Das ist tatsächlich verwirrend.« Loos strich mit der linken Hand über seine noch immer regenfeuchten Haare. »Die Hexenprozesse…«, hob er vorsichtig an, »… also, dieses verabscheuungswürdige Laster wird im Sankt Maximiner Gebiet viel härter verfolgt als im übrigen Kurtrier, obwohl Weihbischof Binsfeld einer von denen ist, die ein schärferes Vorgehen fordern!«
»Wie gesagt, die Maximiner halten an ihrer Gerichtsbarkeit fest und wollen sich von den Kurtrierern nicht hineinreden lassen.«
In Loos keimte ein Verdacht auf, der so ungeheuerlich war, dass es ihm beinahe den Atem verschlug. Konnte es sein…
Wie aus weiter Ferne hörte er Ellentz’ Stimme, nahm aber nicht mehr wahr, worüber dieser sprach. Nein, das wäre zu einfach… Wie ein spitzer Holzsplitter ins Fleisch, so hatte sich der Gedanke in sein Hirn gebohrt und je mehr er sich bemühte, ihn herauszuziehen, desto tiefer
Weitere Kostenlose Bücher