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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elmar Bereuter
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an.
    Löher musste dazu nicht nachsehen, die Bibel kannte er so gut wie auswendig. Allerdings war das von seinem Vater vererbte Exemplar keine katholische, sondern eine Züricher Ausgabe, eine zwinglianische. Aber Löhers Vater war das damals gleichgültig gewesen. Hauptsache, sie war auf Deutsch und er konnte sie lesen.
    Laymann berichtete von dem Prozess in Trier gegen Doktor Dietrich Flade und den Trommlerbuben, an einer anderen Stelle von dem Beispiel eines tüchtigen Richters, und da blieb Löher hängen. Der Tatbestand der Hexerei kannte nur eine Art der Bestrafung und der Sühne: die Verbrennung. Diese konnte in einem Gnadenakt durch vorherige Enthauptung oder Erdrosselung gemildert werden. Die Veraschung erfolgte meist auf dem Scheiterhaufen, aber es gab noch eine andere Variante, nämlich die der Verbrennungshütten. Löher hatte sich darüber nie besondere Gedanken gemacht, hatte geglaubt, das seien regionale Besonderheiten, doch bei Laymann stand, was es damit in Wirklichkeit auf sich hatte, und das war nun wirklich der Gipfel der Heimtücke! Laymann berichtete von, wie er betonte, einem tüchtigen Richter, bei dem eine Hexe nicht gestehen wollte. Der Judex verfiel auf eine List und versprach der Frau im Fall eines Geständnisses und der Nennung weiterer Namen Speis und Trank auf Kosten der Gemeinde so lange sie lebe, ebenso Kleidung, Feuer und Holz, und stellte ihr sogar ein eigenes Häuschen in Aussicht! Welche Person, sofern sie nur dumm und einfältig genug war, konnte da widerstehen?! Nur dass das Häuschen umgehend in Flammen aufgehen würde – zusammen mit der neuen
    Besitzerin –, davon war selbstverständlich mit keinem Wort die Rede! Welch abgrundtiefe Verdorbenheit gehörte dazu, alte, arme und törichte Frauen mit solchen Doppeldeutigkeiten aufs Glatteis zu führen, sie womöglich betrunken zu machen und dazu zu bringen, ihre angeblichen Komplizinnen aus den Spinnstuben, Backhäusern, Klatschstuben und von den Waschbänken zu verraten?
    Backhäuser? War heute nicht Mittwoch und Tringens Backtag?
    Hermann Löher zwickte der Hunger, aber er wartete ab, bis unten die Haustür ins Schloss fiel. Erst dann ging er in die Küche, hob den Deckel des auf der kalten Seite des Herdes stehenden Topfes. Bohnengemüse mit Hammel! Schon wieder!
    Mit dem Schürhaken löste er ein paar der Eisenringe, warf ein paar Holzscheite in die erlöschende Glut, setzte den eisernen Topf ein und begab sich wieder nach oben in seine Kammer.
    Wo hatte er vor einiger Zeit den Stappert abgelegt? Bodin, Del Rio, Remy, Ostermann, »Hexenhammer«… in dem Haufen war er nicht. Binsfeld, Schultheißens Übersetzung von seinem Neffen, Agricola, Johannes Nider… auch nicht. Die Zeitung fiel ihm in die Hände, die er immer noch nicht gelesen hatte.
    »Cautio criminalis« auf Deutsch, Weyer, Adam Tanner, die
    »Cautio« auf Niederländisch… der Artikel von den zehn schwedischen Kapitänen, die sie in diesem Jahr in Stockholm wegen einer verlorenen Seeschlacht aufgehängt hatten. Mit Zauberern sollen sie verbündet gewesen sein. Wo war denn der Stapel über Schweden und die Prozesse in Mora? Als er ihn endlich gefunden hatte, fand er darin auch Stapperts
    »Brillentraktat«. Sobald er mit seinem Buch fertig wäre, würde er Ordnung machen, das war sicher. Nur gut, dass Tringen keinen Fuß über die Schwelle zu seiner Kammer setzte! Löher wollte soeben das Heft aufschlagen, als er mitten in der Bewegung innehielt. Was war denn das? Siedend heiß fiel es ihm ein. Achtlos warf er den Stappert auf den Tisch, stürzte hinab in die Küche, aus der ihm beim Öffnen der Tür eine schwarze Wolke entgegenschlug. Hustend tastete er nach dem Wasserkrug, leerte ihn ohne abzusetzen in den Topf. Vom Bohnengemüse war nur mehr ein verkohlter Klumpen übrig.
    Das würde wieder ein Theater geben! Löher versuchte, den Schaden zu beheben so gut es eben ging, öffnete alle Türen und Fenster und säuberte den Topf mit Hobelspänen. Aber der Geruch würde sich noch einige Zeit halten. Im Kasten fand er einen Kanten Brot und eine Birne, die er mit nach oben nahm.
    Zurückgelehnt in seinem Sessel, in der Hand das tropfende Obst, kam er nun endlich dazu, den Oprechte Haarlemsche Courant zu lesen. Einen Bericht aus Heidelberg saugte er Wort für Wort in sich auf. Er dachte an Tringen und dass sie es niemals verstehen würde. Seit seiner Flucht aus Rheinbach plagte er sich damit herum. Wer wusste davon, wie es tatsächlich zuging in den Gerichtsstuben,

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