Die Lichtfaenger
außer sich gewesen, als ihr Mann mit dem Ansinnen an sie herangetreten war, ihm Geld für ein Buch zu leihen. Die Geschäfte liefen schlecht, nein, nicht nur schlecht, sondern hundsmiserabel. Trotzdem hatte er seit einiger Zeit nichts Besseres zu tun, als sich tagelang oben in seiner Kammer einzusperren und den Gänsekiel ins Tintenfass zu tauchen!
Gerade eben hatte es wieder eine heftige Auseinandersetzung gegeben, weil sie ihm auf die Schliche gekommen war. Hatte dieser Nichtsnutz von Ehemann nichts anderes zu tun gehabt, als das bisschen in der letzten Woche verdiente Geld schnurstracks zu van Metelen zu tragen, um Papier zu kaufen!
Ertappt hatte sie ihn, weil sie in seiner Jackentasche eine Quittung gefunden hatte, und er zeigte nicht die Spur eines schlechten Gewissens! Ausgerechnet der Tuchhändler Löher wollte ein Buch schreiben – über seine Rheinbacher Erlebnisse! Das war doch zum Lachen! Ein Tuchhändler und ein Buch? Hatte man so etwas schon einmal gehört? Und überhaupt – wen interessierte das außer ihm? Das hatte sie ihm in aller Deutlichkeit gesagt. Aber er hatte sie nur angeschrieen, sie würde schon noch sehen, es würde ein ganz großer Erfolg werden und sie würde ihm noch die Füße küssen vor Dankbarkeit.
Nun zankten sich unten die beiden jüngsten der Kinder, die alle nicht seine waren und die seine Frau immer in Schutz nahm, wenn er sie zurechtwies. Tringen, übel gelaunt ob der vorhergegangenen Streiterei, ließ ihren Unmut nun an den Balgen aus, indem sie den beiden eine schallende Backpfeife verpasste, was er bis in sein Zimmer hören konnte, worauf die Kinder ein schauerliches Geplärre anstimmten. Es war nicht auszuhalten. Hermann Löher schloss den Laymann, in dem er zu lesen versucht hatte, langte nach seiner Joppe, schlich die Treppe hinab und schloss leise die Haustür hinter sich.
In der Ouden Kerk erst, vor der Grabplatte seiner verstorbenen ersten Frau, fand er wieder Ruhe. »Gunde«, sprach er stumm, »warum habe ich diesen Besen geheiratet?
Warum hast du mich so früh verlassen?«
»Jetzt soll ich womöglich noch schuld sein!«, kam empört die Antwort.
»Vielleicht denkt sie ja dasselbe«, hörte er Kunigunde nach einer Weile in seinem Kopf, »vielleicht denkt sie sich, warum habe ich diesen alten Narren zum Mann genommen? Wegen dem Bett bestimmt nicht!«
»Na, na! Jetzt reicht es aber!«, gab er ein wenig beleidigt zurück.
Auf dem Weg nach Hause kaufte sich Löher eine Zeitung.
Die Oprechte Haarlemsche Courant, wie immer. Sozusagen seine Leib- und Magenzeitung, seit sie von der Rheinbacher Katastrophe berichtet hatte. Über Rheinbach würde er wohl kaum noch etwas darin finden, weil es kaum mehr etwas gab, was auch nur eine Zeile wert gewesen wäre. Aber der Courant war eine der Zeitungen, die regelmäßig Meldungen aus fast allen Teilen Deutschlands brachte.
Damals, vor drei Jahren, 1673, war das übervolle Fass der Strafe für die vorgeblichen Hexenjagden über Rheinbach ausgeschüttet worden – das war jedenfalls Hermann Löhers feste Überzeugung –, indem der Herrgott der Stadt die Verwaltung geschenkt hatte, die sie verdiente. Während des großen Krieges, der an die dreißig Jahre gedauert hatte, waren unzählige kleine und große Heerscharen, kaiserliche, spanische, französische, fürstliche und kurfürstliche, ohne Schaden anzurichten an Rheinbach vorbeimarschiert. Warum?
Damals hatte Vogt Schwegeler, den sie später so elendig verbrannten, das Sagen. Er hatte mit freundlichem Zureden und einem guten Schluck Wein die Befehlshaber dazu gebracht, einen Bogen um die Stadt zu machen oder knapp daran vorbeizuziehen. Als aber an den beiden ersten Novembertagen vor drei Jahren der Prinz von Oranienburg mit vier Regimentern vor der Stadt stand, war weit und breit kein Stadtrat oder Bürgermeister mit der Weitsicht und der Klugheit eines Doktor Schwegeler. Anstatt Futter, Mehl und Unterkunft für eine Nacht zu gewähren, glaubte der größenwahnsinnige Bürgermeister Hermann Averdunck, sich mit einem Heer von ein paar tausend Mann anlegen zu können, worauf die Truppen die Stadt in Brand steckten und fast vollkommen abfackelten.
Von einhundertfünfzig Häusern wurden nur zwanzig von den Flammen verschont. Fünfundzwanzig Bürger und
dreiundzwanzig Bauern aus der Umgebung kamen zu Tode.
Die plündernde Soldateska ermordete sogar den Vikar in der Kirche, und das an einem hochheiligen Feiertag! Was der Krieg in dreißig langen Jahren nicht vermocht hatte,
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